Akureyri

24.08. Reykjahlíð - Akureyri, 110 km, 20° C, bewölkt, teilweise sehr starker Wind

Heute stand die Fahrt zum nördlichsten Quartier für unseren Wohnwagen auf dem Programm: Obwohl Akureyri nur 95 km vom Polarkreis entfernt und das ganze Jahr von schneebedeckten Bergen umgeben ist, herrschen im Schatten der bis zu 1.400 m hohen Berge im Sommer angenehme Temperaturen. Isländer bezeichnen diese zweitgrößte Stadt der Insel gern als die Hauptstadt des Nordens. Das Umland ist sehr fruchtbar und so wurde diese Stadt ("akur" bedeutet Acker; "eyri" Sandbank) schnell zu einen landwirtschaftlichen Zentrum. Im Hafen legen im Laufe einer Saison bis zu 30 Kreuzfahrtschiffe an und sorgen für entsprechenden Umsatz.

Am westlichen Ende des Mývatn überquerten wir den Fluss Laxa, einen der Abflüsse dieses Sees. Die Laxa zählt zu den schönsten und zu zugleich lachsreichsten Flüssen Islands. Eine Angellizenz soll hier bis zu 5.000 DM (!?) pro Tag kosten ...

Am Goðafoss ...Die Fahrt nach Akureyri ging weiter über die uns inzwischen vertraute Ringstraße. Die nicht asphaltierten Strecken hatten mittlerweile ihren Schrecken verloren und konnten auch diesmal wieder zügig befahren werden. Dafür machte der starke Wind uns mehr zu schaffen: Aus Sicherheitsgründen konnten wir stellenweise nicht mehr als 60 km/h fahren, denn der Wind drückte kräftig von der Seite. Zum Glück war unsere Segelfläche durch den kleinen Wohnwagen begrenzt, mit einem normal hohen Wohnwagen oder Wohnmobil hätten wir uns nicht so sicher gefühlt.

Auf halber Strecke war eine kurze Rast am Goðafoss fällig: Dieser gewaltige Wasserfall ist eine der Hauptattraktionen zwischen dem Mývatn und Akureyri. Der Name Goðafoss, "Götterfall" stammt aus der Kristnisage. Demzufolge soll der König Þórgeir seinem neuen christlichen Glauben dadurch Ausdruck verliehen haben, dass er alle seine Götzenbilder in die Fluten des Wasserfalls warf. Der Campingplatz von Akureyri befindet sich direkt innerhalb der Stadt, völlig ungewohnt nach so vielen Tagen Aufenthalt in der Natur Norwegens und Islands. Dies war jedoch für die Kinder von Vorteil, da sich das Freibad direkt gegenüber befindet und die Kinder dies die nächsten Tage mehrfach alleine aufsuchen durften.

Das Bad ist sehr gut ausgestattet: Mit mehreren Schwimmbecken, Rutschen, Dampfbad und drei unterschiedlich temperierten "Hot Pots" kam keine Langeweile auf ...

Auf der Reede vor dem Hafen lag das Kreuzfahrtschiff Albatros und in einem der "Hot Pots" kamen wir mit dem Schiffspfarrer ins Gespräch. Er hatte für einige Stunden frei, denn die meisten Passagiere wurden mit Booten zum Kai gefahren und flanierten durch den Ort. Nachts sollte das Schiff dann gen Spitzbergen weiterfahren. Außer ein paar Geschäften und Häusern haben die Passagiere nichts von den landschaftlichen Schönheiten mitnehmen können, denn dazu muss man Fahrten oder Wanderungen in die Natur unternehmen und sicher mehr Zeit mitbringen ...

Zu unserer Überraschung kam abends noch ein älteres Ehepaar aus Essen mit einem Wohnwagen auf dem Campingplatz an. Neben der Münchner Familie waren sie die zweiten, die wir in Island mit einem Wohnwagen trafen. Sie hatten einen relativ großen Anhänger mit einem vergleichsweise kleinen Pkw als Zugfahrzeug. Nach ihren Schilderungen waren sie damit auf den isländischen Straßen und den herrschenden Windverhältnissen doch einigen fahrerischen Strapazen ausgesetzt gewesen.

25.08. Akureyri (Fahrt Laugafell), 190 km, 10° C, starker Wind / Nieselregen im Hochland

Nachdem nun bereits zwei Tage mit dem Gespann im Hochland war hier heute endlich auch die erste Geländefahrt angesagt. Das Laugafell liegt 890 m über dem Meeresspiegel und mitten im Hochland, besteht aus einer Schutzhütte, heißen Quellen sowie einem Campingplatz.

Neben den Badesachen packten wir warme Schutzkleidung, Kocher mit Notproviant und einige warme Decken ein. Die Verkehrsdichte unterwegs bestätigte unsere Vorsichtsmaßnahmen, denn den ganzen Tag über kamen uns auf den Pisten ganze 3 Fahrzeuge entgegen. Das Mobilfunknetz deckt nur die großen Ortschaften ab, im Hochland hilft bei einer Panne nur der konventionelle Funk oder Warten auf Hilfe ...

So gerüstet starteten wir bei schönem Wetter und hatten nach 40 km die Grenze der Zivilisation erreicht. Eine passable Schotterstraße brachte uns tiefer ins Landesinnere, bis es in steilen Serpentinen und durch stark vom Regen ausgewaschene Passagen ins Hochland ging. Spätestens hier war zum weiteren Fortkommen ein Geländewagen unerlässlich, und wir waren froh, ein stabiles Fahrzeug zu besitzen. 

Auf der Hochebene angekommen, änderte sich die Landschaft total: Wüstenähnliche Einöde umgab uns, Sand, Steine, Geröll, leichte Hügellandschaft, so weit das Auge reichte. Der Weg ist in der Ferne nur noch durch gelbe Markierungsstangen zu erkennen, ansonsten alles steinfarben. Das schöne Wetter änderte sich zunehmend, je weiter wir ins Hochland kamen. Anfangs hatten wir noch Sonne, zunehmend kamen Nieselwolken und ein zum Teil starker Wind auf. Bei wenig Sicht und Nebel kann man hier oben schnell die Orientierung verlieren. Wir fuhren noch gut 1½ Stunden durch diese Steinwüste und die Kinder fingen sich langsam an zu fragen, was wir denn hier überhaupt suchen würden, denn sie sahen nichts anderes als Steine und saßen in einem rüttelnden und klappernden Auto und überhaupt ...

Am Laugafell ...

Fahrer und Beifahrer waren jedoch ganz anderer Meinung und berauschten sich an der Weite der Natur, der Einsamkeit und überhaupt ... Als das Laugafell in Sicht kam, ging ein Raunen durch die hinteren Sitzreihen, so nach dem Motto, da gibt es ja wirklich Häuser (3 an der Zahl) und etwas Grün war auch zu sehen. Wir kamen uns vor, als hätten wir eine Oase inmitten dieser Steinwüste erreicht. Das erste Haus war eine bestens ausgestattete Hütte und schnell hatten wir bei ca. 10° C unsere Verpflegung in das Haus geschafft. Wasser, Gaskocher, Geschirr, alles war da und die Kinder hatten sogleich das Dachgeschoss mit dem Matratzenlager zu ihrer neuen Hochburg erklärt. Nach einer warmen Suppe und Brotzeit erkundeten wir das restliche Gelände und fanden in einer kleinen Mulde einen natürlichen "Hot Pot"; das zweite Haus war die Umkleide für die Badenden. Minuten später saßen wir alle im warmen Wasser und die Kinder hatten schnell die lange Fahrt hier hoch vergessen. Das Wasser hatte zwischen 35 und 38° C und war herrlich angenehm. 

Badetag ... Der kühle Wind pfiff über unsere Köpfe und ließ die isländische Flagge im Wind knattern. Wir waren im Moment ganz alleine hier oben, nur bei unserer Ankunft trafen wir 4 Deutsche und einige Isländer, die jedoch bald weiterfuhren. Begeistert aalten wir uns im Wasser und schwammen durch dieses Becken, das ca. 10 m lang war. Das heiße Wasser floss unterirdisch zu und am anderen Ende des Beckens war ein oberirdischer Ablauf in die freie Natur. Als wir schon ziemlich aufgeweicht waren, half uns nur ein rascher Sprit in die gut 30 m entfernte Umkleidekabine.

Zum Abschluss trafen wir noch die Verwalterin dieser Anlage, sie wohnte in dem dritten Haus des Laugafell. Sie lebt während der Sommermonate hier oben, kümmert sich um die Touristen und hält die Anlagen sowie den Campingplatz (Wiese mit WC-Haus und Pool) in Ordnung. Sie erzählte uns, dass in den Sommermonaten Juni / Juli hier oben mehr los ist. Jetzt würde sie noch zwei Wochen bleiben und dann nach Reykjavík zurückkehren. Wir zahlten einen kleinen Obulus für die Benutzung der Anlagen und planten die Rückfahrt. 

Als Alternative stand die weiter östlich gelegene F26 (Sprengisandur) in Richtung Goðafoss zur Diskussion. Da die Zeit jedoch bereits fortgeschritten war und diese Route weiter gewesen wäre, entschlossen wir uns, die gleiche Strecke zurückzufahren. Wie so oft, kam allen die Rückfahrt wesentlich kürzer vor. Je weiter wir wieder nach Norden fuhren, um so besser wurde das Wetter. Die Sonne kam wieder hervor und wir hatten auf dem Campingplatz noch einen längeren Erfahrungsaustausch mit einem Karlsruher Ehepaar, das ebenfalls einen Defender als Wohnmobil ausgestattet hatte. Da wir in der Zwischenzeit die Vorzüge unseres Fahrzeugs für solche Reisen schätzen gelernt hatten, waren wir auf der Suche nach den Erfahrungen anderer Fahrer. Wir hatten inzwischen durchaus in Erwägung gezogen, uns irgendwann ein solches "Teil" zuzulegen ...

26.08. Akureyri (Fahrt Richtung Dalvík), 130 km, 15° C, leicht bewölkt

Die vergangene Nacht gab es ein Feuerwerk über Akureyri, dessen Grund uns heute die Campingplatzwärterin verriet. In der Nacht hatte das letzte Kreuzfahrtschiff für diese Saison den Hafen verlassen und es wurde auf diese Weise von der Bevölkerung verabschiedet. Die Campingplatzwärterin sprach übrigens fließend deutsch, denn sie war als Stewardess mehrere Jahre in München stationiert gewesen.

Diesen Vormittag ließen wir ruhig angehen: Was bedeutete, dass wir nicht im Auto saßen, sondern dass die Kinder alleine ins Freibad gingen (bei 15° C); Sonny und ich durch den Ort schlenderten und mit einem dicken Paket isländischer Wolle zurück kamen. Vom Fremdenverkehrsbüro hatten wir uns den aktuellen Wetterbericht besorgt und für die nächsten Tage war weiterhin schönes Wetter angesagt. Es waren somit keine Einschränkungen bezüglich unserer am 28.08. geplanten Rückfahrt mit dem Wohnwagen durch das Hochland zu erkennen. Im Falle einer Sturmvorhersage in diesen Zeitraum hätten wir unsere Reiseplanung ändern müssen.

Nachmittags fuhren wir ausnahmsweise über weitgehend geteerte Straßen nach Norden die Bucht von Akureyri (Eyjafjörður) entlang nach Dalvík: Dieser Ort wurde 1934 durch ein Erdbeben und die nachfolgenden Flutwellen weitgehend zerstört und von der Bevölkerung anschließend wieder neu aufgebaut. Heute hat der Ort 1.500 Einwohner und ist hauptsächlich durch den Fischfang geprägt. Am Hafen sahen wir gerade noch rechtzeitig, wie die Ergebnisse eines Wettfischens angelandet und gewogen wurden. Leider war es uns nicht möglich, einen Teil der Beute käuflich zu erwerben. 

Obwohl dieser Ort sicherlich nicht groß ist, besitzt er wie viele andere Orte ein Schwimmbad, einen kleinen Flugplatz und einen Golfplatz. Es ist oft erstaunlich, mit welcher Infrastruktur diese kleinen Ortschaften ausgestattet sind.

Wir fuhren die Bucht noch weiter bis nach Ólafsfjörður und hatten von unterwegs herrliche Ausblicke auf diesen Meeresarm und die unendlichen Weiten des Nordmeeres.

Dieser Samstagabend brachte uns noch ein Erlebnis der besonderen Art: Nachdem die Kinder im Wohnwagen eingeschlafen waren, wollten Sonny und ich noch einen kurzen Spaziergang in den Ort unternehmen. Nachdem die Fußgängerzone nachmittags wie ausgestorben war, erwartete uns dort völlig überraschend ein Treiben wie Samstagmittag in München auf dem Marienplatz. Alle Geschäfte hatten geöffnet, Bands spielten, auf einem Laufsteg wurde die aktuelle Mode gezeigt und überall brannten an den Straßenrändern eimergroße Kerzenkübel. Die Menschen schoben sich durch die Gassen und feierten ausgelassen. Wir ließen uns von diesem Treiben anstecken und unser kurzer Abendspaziergang dehnte sich auf fast 3 Stunden aus.

Später erfuhren wir, dass in Reykjavík einmal im Jahr eine Kulturnacht stattfindet und da wollte auch Akureyri nicht hinten anstehen ...

27.08. Akureyri (Fahrt F899 zum Meer), 155 km, 18° C, leicht bewölkt

Unser letzter Tag in dieser Stadt brach an und so langsam wurde uns allen klar, dass auch dieser Urlaub zu Ende gehen würde. Für heute stand ein besonderer Ausflug auf dem Programm: Wir wollten über eine alte Piste in ein weitgehend unbewohntes Tal (Zwei Häuser auf einer Strecke von 40 km) vorstoßen.

Die Tour begann mit der Überquerung eines Gebirgszuges östlich von Akureyri. Von diesem Weg hatten wir schöne Blicke auf die Stadt sowie den Eyjafjörður.

An dem Gehöft Þverá verließen wir die Schotterstraße 835, um auf die Piste F899 nach Norden abzubiegen. Ein Verkehrsschild mit den Botschaften "4x4" und "tiefe Furten" stimmte uns auf das Kommende ein. Die Piste war mit einem Schafgatter verschlossen, an dem ein Fahrrad lehnte, das gestern unter unseren Augen auf dem Campingplatz von Akureyri beladen wurde.

Furt-Landy ...

Radfahren in diesen Gegenden ist nur sehr sportlich engagierten Touristen mit einem hohen Maß an Leidensfähigkeit vorbehalten. So wurde uns von Fällen berichtet, in denen Fahrer ihre Räder in Folge von Gegenwind den Berg abwärts geschoben haben sollen. Nie haben wir einen Einheimischen auf einem Rad oder gar ein Fahrradgeschäft gesehen. So fuhren wir über die Flateyjardalsheiði, nach Erreichen der Wasserscheide ging es weiter durch das herrliche Tal Flateyjardalur, bis wir ein weiten Blick über das Meer auf die Insel Flatey werfen konnten. Für diese Strecke benötigten wir rund zwei Stunden, da wir streckenweise nur im Schritttempo voran kamen und bei jeder der ca. 25 Furten uns über Tiefe und beste Fahrweise klar werden mussten. 

Blaubeeren abernten ist angesagt ... Einige dieser Furten waren knapp einen halben Meter tief und bis zu 50 m lang. Am Meer angekommen, wanderten wir am Strand entlang und kletterten auf Hügel an der Küste. Im Windschatten eines solchen Hügels entdeckten wir alte Grundmauern eines Gehöfts, zum Teil durch Erde und Gras verdeckt. Versteckt hinter einer Düne baute Sonny den Kocher auf und wir konnten uns an einer warmen Suppe wieder stärken. Wir waren uns einig, dass wir diesen Flecken in sehr guter Erinnerung behalten würden. Hier in dieser Abgeschiedenheit einige Tage mit einem geländegängigen Wohnmobil zu verbringen - ein Traum!

Auf der Heimfahrt kamen wir noch an weiten Blaubeer- und Wacholderfeldern vorbei, die wir, zumindest teilweise, abernteten. Mit Blick auf ein paar () Mitbringsel von dieser Insel luden wir ein paar schöne Steine ein - in Summe so ca. 50 - 60 kg ...

An einer Furt sahen wir noch eine Gruppe von 10 Reitern, die mit ca. 30 Pferden durch dieses Tal geritten kamen. Es ist schon ein toller Anblick, wenn eine solche Gruppe durch das Wasser reitet. Oftmals sind die Reiter für einige Tage in der Natur unterwegs und haben ihre gesamte Ausrüstung dabei wie Zelte, Lebensmittel etc.

Auf dem Rückweg kamen wir noch in Laufás vorbei, einem der schönsten Museumshöfe Islands. Er entstand aus einem Gehöft des 19. Jahrhunderts, die Häuser sind seitlich ganz mit grasbewachsenem Torf bedeckt und dieser sorgte somit für eine sehr gute Isolierung. Eine weitere Besonderheit ist eine (hier nicht sichtbare) Querverbindung, die es erlaubt, direkt von einem Haus ins nächste zu wechseln ...

Am Museumshof von Laufás


© 2001 Hans-Jörg Wiebe