Der Touren-Samstag: Zuerst nach Balbriggan

Frühstück um 6:30 Uhr? Warum nicht, wenn man an diesem Tag so viel vorhat! Außerdem weist das Hotel-Programm im Fernseher auf solche Anfangszeiten hin - also los trotz Bitter und Whisky!

Ungläubige Blicke der Angestellten im Frühstücksraum - Gäste um diese Zeit? Man würde erst um 7:00 Uhr anfangen, wird uns mitgeteilt, aber man könne sich schon mal setzen. Der Hinweis auf anderslautende Hotel-Infos wird freundlich überhört, die verschlafene Bedienung, die ihre Frage nach einem "Irish Breakfast" stellen will, wird sofort vom Management zurückgepfiffen - immerhin kann man noch wählen zwischen Tee und Kaffee. Ein wirklich echtes Continental-Frühstück folgt: ein paar Stücke Butter, ein wenig Marmelade und aus - aber der Toast schmeckt. Die wirklich tolle irische Frühstücksmusik, die jedem "Singing Pub" zur Ehre gereichen würde, entschädigt für alles: traumhaft, so eine irische Folkloresängerin, die stimmungsvoll den Morgen einsingt!

Noch vor 8:00 Uhr verlassen wir mit unserem "Traumauto" (wer kauft eigentlich sowas??) das Hotel - nach mehreren Versuchen und Rezeptionsmünzen kommen wir endlich unter der Schranke durch, die das parkende Außenweltchaos vom Hotelgelände fernhalten soll. Zügig wird nach links in die leere Straße vor dem Hotel abgebogen, toll, kein Verkehr am heutigen Morgen und so soll´s schnell zurück durch die Camden Road gehen.

Irgendwie komisch, die Verkehrsführung an der nächsten Straßenecke: lauter Pfeile, die einem entgegenkommen, und das in alle Richtungen! Noch während wir verlangsamen und natürlich notgedrungen wieder anders abbiegen als geplant, geht das Gehupe schon los. Direkt um die nächste Ecke wartet nicht nur ein Bus, sondern auch noch eine frühe Autoschlange vor der Ampel und alle, alle hupen - sie wollen den Geisterfahrer warnen!

Versteht sich, daß wir der Geisterfahrer sind, versteht sich, daß an der Hotelausfahrt natürlich kein Hinweis war, daß vor dem Gebäude eine der beliebten mehrspurigen Einbahnstraßen verläuft, die jeden Ortsunkundigen zur Verzweiflung treiben kann, der irgendwohin anders will als es die Verkehrsführung vorschreibt. Und daß die Straße so leer ist, daß man keinen Hinweis auf die Hauptrichtung bekommt, erweist sich somit auch als übel - mindestens ein bis zwei "Führungsfahrzeuge" sollte man hier immer haben!

Da ist er also wieder, der Streß und der Schweißausbruch, und das bereits am frühen Morgen. Während sich die verunsicherten Ausländer am linken Straßenrand entgegen der Verkehrsrichtung nicht mehr weiterzufahren trauen (wohin auch?), läßt ein Geländewagen sofort eine Lücke und gibt Lichthupe. Was uns auch gestern bereits aufgefallen ist (wie schon vor 20 Jahren!), die Iren gehen viel angenehmer miteinander und auch mit Fremden um als z.B. die Engländer: in Newcastle hätte man uns wahrscheinlich aus dem Fahrzeug gezogen und gelyncht!

Strand bei Ballbriggan ...Völlig gestresst schwenken wir wieder in die Gegenrichtung ein und fahren erstmal mit dem nun einsetzenden frühen Verkehrsstrom - daß der nicht dahin fährt, wo wir hin wollen, muß nicht weiter erwähnt werden.

Irgendwann haben wir nach erneutem Anhalten, Kartenwälzen, Fragen in Geschäften, die trotz der frühen Morgenstunde bereits geöffnet haben, unsere Richtung aus der Stadt gefunden. Nachdem wir uns auch hinter der O´Connell-Bridge wieder verfahren haben, wo jeder mehrspurig nach links geleitet wird, der nach rechts will, sind wir irgendwann raus aus dem Desaster.

Wieder schnurgerade geht es raus aus Dublin Richtung Airport, wo wir gestern hergekommen sind, dann weiter auf der hier beginnenden N1 Richtung Belfast nach Norden. Es wird leerer, es wird ruhiger. Auch die breiten gelben Seitenstreifen, auf denen oft Fahrzeuge stehen (Fahrer, die ihre Nerven verloren haben?), und die man jederzeit ebenfalls benutzen könnte, beruhigen das arg strapazierte Nervenkostüm. Steht man eigentlich inzwischen auf Kriegsfuß mit dem englisch/irischen Verkehrssystem? Und wieviel angenehmer war das doch vor x Jahren?  Fragen über Fragen, die heute morgen wie üblich keiner beantwortet.

Als wir Balbriggan erreichen, ist es noch ruhiger geworden. Kaum ein Fahrzeug benutzt die alte Strecke nach Norden, die heute durch ein Stück Umgehungsautobahn nicht mehr benötigt wird. Aber wir nehmen sie trotzdem, wollen wir doch an den Strand und im Januar Muscheln suchen - wirklich etwas für die Nerven!

Es ist wirklich erstaunlich, was sich hier am Strand (N53°38.321´ W006°12.907´) alles findet. Trotz Warnschild bezüglich möglicherweise giftiger Funde lassen wir uns nicht abhalten, am leicht verschneiten Strand entlang zu wandern - hier muß es gestern oder heute morgen noch recht heftig geschneit haben, wie man an entgegenkommenden Fahrzeugen sehen konnte.

Wie üblich in diesen Gegenden stehen auch bereits zwei Fahrzeuge am Strand, deren Insassen ohne auszusteigen ins Weite schauen. Wieder fällt auf, als am einsamen Strand jemand mit Hund vorbeikommt, wie freundlich die Menschen in diesem Land sind: der kurze Smalltalk über das heute morgen hervorragende Wetter muß einfach sein!

Schneebedeckte Hügel im Norden ...

Und in der Tat: der Besichtigungs-Samstag läßt sich wettermäßig gut an: bald wieder Sonne, so weit das Auge reicht! Es kann (oder muß?) weitergehen nach Monasterboice, unserem ersten "richtigen" Ziel an diesem Tag!


© Text/Bilder 1999 J. de Haas