Do. 11.9.97 Anfahrt
15:30 Uhr: Feierabend - vier Wochen Urlaub liegen vor uns.
Die Kollegen werden wohl nie verstehen, wie man am ersten Tag losfahren und am letzten Urlaubstag zurückkehren kann, ohne jeweils Anpassungsphasen von 2-3 Tagen einzuschieben. Aber zumindest zuckt nicht mehr spontan der Zeigefinger an die Stirn; bei jemandem, der mit dem Auto nach Kreta fährt, wo die Pauschalflüge so preiswert sind, der mit zwei kleinen Kindern (4 Jahre und 8 Monate) 4 Wochen in einer Sardinenbüchse haust und nur sporadisch Campingplätze anfährt, braucht man sich über gar nichts mehr wundern.
Grundsätzlich halte ich ja auch nicht allzu viel davon, sich unausgeruht und hektisch ins Auto zu setzen und möglichst in einem Rutsch 1000 und mehr Kilometer bis zum Urlaubsziel abzuspulen.
Doch stellt sich uns das Problem in dieser Form nicht. Sicher ist der Zeitraum zwischen Dienstschluß und Abfahrt extrem hektisch, doch setzt mit Auffahrt auf die Autobahn Urlaubsstimmung und entsprechende Ruhe ein. Mit unserem Schneckenhaus brauchen wir keine Strecke zu machen. Läuft es gut, kommen wir bis Baden-Baden, läuft es nicht, ist halt schon nach 150 km in Koblenz Schluß. Der Deckel wird hochgeklappt, Betten gebaut und spätestens beim Sundowner ist der Alltag weg und nur noch das temporäre Nomadentum Realität.
Heute läuft es extrem gut; die Kondition reicht bis Luzern. Die Raststätte bietet neben Stellplätzen etwas abseits der Fahrspuren einen Spielplatz, so daß der Große sich vor der Fahrt noch mal ein wenig austoben kann.
Fr. 12.9.97 Igea Marina
Nach einem ausgiebigen Frühstück setzt sich die Sonne durch und wir beschließen nicht durch den Tunnel, sondern über den St. Gotthard zu fahren. Auf der Nordseite werden wir durch wunderbare Ausblicke belohnt, doch auf dem Kamm setzt dichter Nebel ein, der in den tieferen Lagen des Tessin in Regen übergeht.
So trüb wie das Wetter wird auch die Stimmung, zumal wir in diesem Jahr die Strecke bereits schon einmal im Dauerregen gefahren sind. Doch wir haben Glück, in Mailand bricht die Sonne durch und es wird sofort angenehm warm. 150 km hinter Mailand liegen, für die italienische Autobahn ungewöhnlich, drei Parkplätze ohne Raststätte hintereinander. Traditionell legen wir am Parkplatz Fontanellato eine längere Rast ein. Die Anlage ist recht liebevoll gestaltet. Außerdem gibt es eine Waschgelegenheit sowie - für uns noch wichtiger - einen Spielplatz.
Gegen 16:00 Uhr geht's weiter bis nach Igea Marina, einem kleineren der wie Perlen auf einer Schnur aufgereihten Badeorte an der Adria, 20 km vor Rimini. Der Ort hat zwar offenkundig schon bessere Tage gesehen, verfügt aber nicht nur über einen Campingplatz, sondern auch über 4 ausgewiesene WoMo-Stellplätze am nördlichen Ortsausgang, direkt am Strand und an einem Spielplatz gelegen. Wir bevorzugen jedoch eine andere Lösung. Im Restaurant Capo Cabana wird nicht nur vorzüglich gekocht, was daran zu erkennen ist, daß fast ausschließlich Italiener die Tische bevölkern, sondern der Inhaber hat auch nichts dagegen, daß wir auf dem Parkplatz hinter dem Restaurant übernachten. Nach Antipasti, Pasta, prima Piatta, ... Vino bianco a la casa, Digestivo, bin ich froh um jeden Meter, den ich nicht laufen oder fahren muß.
Sa. 13.9.97 Ancona
Da wir nur noch 100 km bis Ancona vor uns haben, können wir es langsam und gemütlich angehen lassen. Wir haben uns entschlossen, parallel zur Autobahn über die SS 16 via Rimini nach Ancona zu fahren. Für die 100 km haben wir gut 2 Stunden Zeit, so daß eigentlich nichts schiefgehen kann. Wir haben allerdings die Rechnung ohne den samstäglichen Einkaufsverkehr gemacht, der uns mehr Zeit kostet als angenommen, so daß wir erst Punkt 12:00 Uhr das Abfertigungsgebäude des Hafens von Ancona erreichen. Das Einchecken und die Zollformalitäten gehen gewohnt reibungslos und zügig ab, so daß wir bereits um 12:15 in der Schlange stehen und auf das übliche Einschiffungschaos warten. Während ich mit dem Großen den Hafen erkunde, füttert meine Frau die Jüngste.
Um 13:00 Uhr tritt plötzlich Unruhe ein. Motor an, Ticket vorzeigen, reinfahren.
In Rekordzeit von 20 Minuten steht der Explorer auf dem Deck, das Dach wird hochgeklappt und erst mal das Essen gemacht. Jetzt haben wir 22 Stunden Zeit, uns auf Griechenland einzustellen.
Vielleicht hat der ein oder andere den letzten Absatz mit etwas Verwunderung gelesen. Deshalb für den, der es noch nicht kennt, ein paar Worte zu "Camping an Bord". Die Minoan Lines bietet diesen Service auf zwei Schiffen, der "Erotokritos" und jetzt auch auf der 1995 in Dienst gestellten "Aretousa". Dabei steht das WoMo oder der Caravan auf einem Deck oberhalb der Wasserlinie, ist jederzeit zugänglich und kann folglich bewohnt werden. Für ausreichende Frischluftzufuhr sorgen große Fenster an der Seite, auf Wunsch wird Strom (230 V) mittels CEE Stecker zur Verfügung gestellt. Toiletten und Duschen sind ebenfalls ausreichend vorhanden. Und das ganze zum Preis einer Deckpassage. Die Hin- und Rückfahrt Ancona - Patras lag damit für uns unter 1000,- DM. Dafür tue ich mir den Streß eines Rittes durch das ehemalige Jugoslawien und durch halb Griechenland bis auf die Peloponnes nicht an. Wenn ich die ersparten Kraftstoffkosten, Autobahngebühren und nicht seltenen "Bußgelder" moderner uniformierter Raubritter auf dieser Strecke gegenrechne, ein wahrhaft preiswertes Vergnügen.
So. 14.9.1997 Patras / Piräus
Trotz EU und Maastrichter Verträge sind Zollkontrollen Selbstläufer und nicht tot zu kriegen. Nach einer guten Stunde Schlange stehen im Gang, mit zwei Kindern sicher kein Vergnügen, läuft die eigentlich Kontrolle sehr zügig ab. Zu meinem Erstaunen stellte ich dann nach Rückkehr auf dem Campingdeck fest, daß wir wohl die einzigen Deppen waren, die die Kontrolle mitgemacht hatten. Da keine Laufzettel o.ä. verteilt werden, ist bei der Ausfahrt nicht mehr nachvollziehbar, wer bereits kontrolliert ist (Achtung: Das trifft für die Rückfahrt in Italien nicht zu!!).
Um 16:00 Uhr griechischer Sommerzeit sind wir dann endgültig von Bord. Mit Erschrecken stelle ich fest, daß ich die Zeitumstellung nicht mit einkalkuliert habe. Ich hatte gerechnet: 14:00 Uhr Abfahrt in Ancona plus 23 Stunden = 13:00 Uhr Ankunft.
Die Realität sah jedoch aus: 14:00 Uhr plus 24 Stunden + 1 Std. Zollabfertigung + 1 Std. Zeitumstellung = 16:00 Uhr. Das wäre alles kein Problem, legte die Anschlußfähre nach Iraklion nicht um 19:15 Uhr in Piräus ab. Das heißt spätestens 18:15 Uhr einchecken.
Von Piräus trennen uns noch ca. 200 km, überwiegend dreispuriger Autobahn. Wohlgemerkt insgesamt drei Spuren für beide Fahrtrichtungen, wobei die mittlere Spur für wechselweise als Überholspur genutzt wird. Auf den zweispurigen Strecken weicht das überholte Fahrzeug auf den Standstreifen aus. Jetzt zahlt sich aus, daß der Explorer von einem L 200 geschleppt wird, der doch merklich temperamentvoller zur Sache geht als sein Vorgänger aus dem Hause Nissan.
Doch nach 1 ½ Stunden Vollgasfahrt kommt der Schock. Die Rückreisewelle der Sonntagsausflügler zurück nach Athen rollt, zumindest bis kurz hinter Korinth. Ab da rollt gar nichts mehr; der dort beginnende Stau läßt mich die Fähre und damit den Fahrpreis abschreiben. Doch man muß auch mal Glück haben. Wir verlassen die Autobahn und schlagen uns quer durch Piräus von hinten zum Hafen durch, den wir auch glücklicherweise ohne größer Umwege finden, und schaffen es um 19:00 Uhr in unserer Kabine zu sein; das Einchecken wurde ohne Zeitlimit an Bord erledigt.
© 1998 H. Quadflieg, Karte: Explorer Magazin