Der Referenzpunkt -Von Vermessungsämtern und Kostenbescheiden ... |
Montag, 27.09.2004: Ich habe seit nunmehr anderthalb Jahren ein Garmin-GPS, Typ Gecko 101. Da sich das Teil bei einem eher zufälligen Besuch beim Erlangener Frauenhofer-Institut in der Satellitensimulation mit einer max. Abweichung von umgerechnet 1,2 km als äußerst ungenau erwiesen hatte, traue ich dem Ding einfach nicht mehr. Eine Einsendung nach Garching brachte auch nicht viel, da nach wie vor alle GPS im Bekanntenkreis stets mit einer hohen Korrelation ein anderes Ergebnis als mein Gecko anzeigten.
Ein letzter Messversuch sollte Klarheit bringen und ggf. meine Forderung nach Wandlung des Kaufs unterstreichen. Freundlicherweise verschaffte der Bürgermeister des kleinen Dorfes, in dem ich wohne, mir Kontakt zum zuständigen Vermessungsamt in Rothenburg ob der Tauber. Die Beamtenschaft verfügt für ihre Vermessung über differenziell ermittelte Punkte, die sehr genau sein sollen. Mein heutiger erwartungsvoller Anruf brachte allerdings eine Erkenntnis ganz anderer Art.
Der Beamte, der sich da meldete, war offenbar nicht besonders von Leuten angetan, die so exotische Fragen wie nach einem Referenzpunkt stellen. Zwar noch freundlich, jedoch ohne besonderes Interesse begann ein Frage-Antwort-Spiel, in dessen Verlauf ich mich mit irgend welchen annähernd genauen Punkten aus irgend welchen, ganz allgemein zugänglichen Karten nicht abspeisen lassen wollte. Ich wollte eben einen der im Amt verwendeten Referenzpunkte wissen.
Irgendwann kam die Aussage, dass lediglich sein Kollege hierüber informiert sei und dieser wäre - wie sollte es denn anders sein - nicht da. Auf meinen Vorschlag, dass jener mir ja mal eben eine kurze Email mit der Info zukommen lassen könnte, ging unser Mitbürger im Amt erstaunlicherweise ein und - man soll's nicht glauben - er wollte sogar meinen korrekten Namen und meine Anschrift wissen.
Dies machte mich nun doch ein wenig stutzig: Mit soviel Interesse hatte ich nach dem zögerlichen Beginn des Gesprächs - das sich auch noch in gefährlicher Nähe zur Mittagspause ereignete - nicht gerechnet. Und so fragte ich nach, warum er diese Informationen denn brauche.
Wie aus der Pistole geschossen kam die - ich glaube sogar dabei etwas Schadenfreude in seiner Stimme gehört zu haben - Antwort: "Wegen des Kostenbescheids!"
Kostenbescheid!? Wegen der Nennung der Koordinaten eines Punktes? Kann nicht sein! Wegen zwei Minuten zwischen Kaffeepause und Urlaubserinnerungskonferenz!?
Dankend - um ehrlich zu sein, mit Worten nahe der Beamtenbeleidigung - lehnte ich ab und war wieder um ein Stück sicherer, dass Bayern mit seinem Staatsapparat nicht mein Wunschplatz für´s Leben ist ...
Sollen die sich doch ihre Referenzpunkte auf´s Klopapier schreiben!
Oder noch viel besser - den lieben Bürger im Amt am Marktplatz in Rothenburg ob der Tauber für alle japanischen, koreanischen, amerikanischen oder sonstigen Touristen als Beispiel für die Dienstleistungsgesellschaft ausgestellt zeigen. In vergangenen Jahrhunderten hat man es - wie es das am Marktplatz gelegene Kriminalmuseum zeigt - mittels des Schandpfahls auch schon getan. Und eine Schande ist es zweifellos, was sich da der liebe, von meinen Steuergeldern bestimmt nicht schlecht lebende Mitmensch da erlaubt hat ...
Anm. der Redaktion: Lieber Jens, vermutlich wollte der gute Mann sicher nur etwas dafür tun, nicht weiter nur von deinen Steuergeldern zu leben - er wollte wohl nur einfach durch harte Arbeit dafür sorgen, die Defizite in den öffentlichen Kassen zu verringern - also doch insgesamt ein durchaus löbliches Unterfangen ..!
Wir haben uns deshalb einmal umgeschaut: Da gibt es die Verordnung über die Benutzungsgebühren der staatlichen Vermessungsämter (GebOVerm) vom 29. November 2001, und die regelt so einiges. Schauen wir dort einmal herein und untersuchen dein Anliegen:
Gemäß § 1 (Gebührengegenstand), Satz 1 Pkt. 7 handelt es sich bei deiner Anfrage vermutlich um eine sonstige Leistung auf Antrag. Laut § 2 (Gebühren nach dem Zeitaufwand (Zeitgebühren)), Satz 1 u. 2 bemisst sich die Höhe der Gebühren nach dem Zeitaufwand. Die Zeitgebühren errechnen sich nach der für die Leistung aufgewendeten, für jeden Bediensteten auf halbe Stunden auf- oder abgerundeten Arbeitszeit. Die Gebühr beträgt je Stunde im Innendienst ...6. für Beamte des gehobenen Dienstes oder nach ihrer Vergütung mit Beamten des gehobenen Dienstes vergleichbare Angestellte 50 EUR.
§ 5 (Dringlichkeitszuschlag) regelt zusätzlich: Werden Arbeiten auf besonderen Antrag vordringlich außer der Reihenfolge ausgeführt, erhöhen sich die Gebühren nach den §§ 2 bis 4 um 20 v. H. Laut § 11 (Auslagen) ist auch die Umsatzsteuer, die auf die Gebührensumme nach §§ 2 bis 6 entfällt, in Rechnung zu stellen.
§ 15 (Entstehung des Kostenanspruchs, Fälligkeit), Satz 2 ist ebenfalls noch zu berücksichtigen: Die Gebühren und Auslagen werden mit der Bekanntgabe der Kostenentscheidung fällig, ... Ebenso der § 16 (Vorschusspflicht, Zurückbehaltungsrecht): Leistungen, die auf Antrag vorgenommen werden, können von der Zahlung eines angemessenen Vorschusses abhängig gemacht werden.
Nun, lieber Jens, kommen wir also zu der Abrechnung deines Referenzpunktes: Wir gehen davon aus, dass mindestens ein Beamter des gehobenen Dienstes in Sachen GPS tätig werden muss, denn dies ist ja schließlich keine banale Aufgabe. Rechnen wir einmal mit einer Mindestzeit von einer halben Stunde gem. GebOVerm, um deinen komischen Referenzpunkt zu finden, dann bis du sicherlich recht zügig bedient worden (Du kannst eigentlich froh sein, dass du nicht 1 volle Stunde berechnet bekommst, denn schließlich muss man sich zusätzlich noch die ganze Zeit fragen, warum du dich eigentlich nicht mit zwei guten Freunden mit eigenem GPS in eine Ecke stellst und die Messergebnisse aller Geräte ganz einfach vergleichst, sondern stattdessen arme wehrlose Beamte quälst!?? ).
Wegen der Eiligkeit deiner Anfrage müssen wir allerdings den Dringlichkeitszuschlag von 20% ansetzen - tut uns wirklich leid! Da wir nicht sicher sind, dass jemand wie du den Betrag (inkl. MwSt) nach Rechnungsstellung wirklich bezahlt, erheben wir die gesamte Gebühr gemäß § 15 GebOVerm vorsichtshalber als Vorschuss, weswegen wir um die sofortige Begleichung der folgenden Summe bitten:
Leistung | Gebühr (EUR) |
---|---|
Anfrage auf Antrag, § 1 GebOVerm, 0,5 Std. à 50,- EUR | 25,00 |
Dringlichkeitszuschlag 20%, § 5 GebOVerm | 5,00 |
Netto | 30,00 |
zuzügl. 16% MwSt | 4,80 |
Bruttobetrag: | 34,80 |
Der Betrag ist sofort fällig.
Aber nach der Zahlung erfährst du dafür wenigstens auch was Exaktes für dein
Geld:
Rothenburg ob der Tauber liegt dicht bei N49° 25´ 0,0000000000000000´´
E010° 18´ 0,0000000000000000´´
Vielen Dank für den Besuch!
© 2005 Jens Plackner, Gebührenrechnung: Explorer Magazin
Nachtrag, Februar 2015: Zeiten ändern sich !?
Nicht einmal ein Jahrzehnt ist vergangen, und schon scheinen sich die Zeiten zu bessern!
Was auf den ersten Blick unglaublich erscheint in Hinblick auf unsere Bürokratie, könnte vielleicht ab und zu tatsächlich mal der Fall sein: Mittlerweile werden "öffentliche" Referenzpunkte bereitgestellt, mit denen ganz normale Bürger wie unser Jens ihr GPS-Gerät überprüfen können!
Wer so etwas nicht nicht glauben kann, sollte folgenden Beitrag lesen: