Wracksuche: Wo blieb die "Jucar"?
Besuch (fast) 20 Jahre "danach": Das Explorer Team in Aguas Verdes ...
Februar 2004: Gewundert hatten wir uns eigentlich nicht mehr. Nachdem bereits die Massira I verschwunden war, hatten wir es fast schon irgendwie geahnt. Und so ist es dann schließlich auch, als wir von oben erwartungsvoll hinunter schauen und zuletzt mit unserem Pkw unten vor der Bucht anhalten müssen, da er das letzte Stück wirklich nicht schaffen kann: Auch die Jucar ist weg, die dunkle Playa de Santa Inés (N 28.4857° W014.0945°) ist wieder leer ...
Klar, dass wir enttäuscht sind, aber auf der anderen Seite könnte die ganze geplante Wracksuche nun eine völlig andere Wendung nehmen: Sollten etwa alle drei ..?
Nun, wir denken das heute noch nicht zu Ende, denn Fuerteventuras berühmtestes Wrack steht uns ja bei dem diesjährigen Besuch erst noch bevor und jetzt ist schließlich die Jucar unser Thema: Auch wenn viele auf der Insel ihre Geschichte nicht bis zum Ende kennen, wir erinnern noch einmal an sie, denn nun sind wir rund 10 Jahre nach unserem ersten Besuch im Jahr 1995 erneut an dieser Stelle und fast zwei Jahrzehnte nach ihrem Auflaufen in dieser Bucht ..!
Aguas Verdes, im Februar 1995 ...
Rückblende und wie es weiter ging ...
Das Aguas Verdes Team rund um die Familie Zwerenz erinnert sich auf der Seite "Neues von der Westküste" an alte Zeiten: Das Containerschiff Jucar lief Anfang der 80er Jahre direkt unterhalb von Aguas Verdes so sanft auf einen Felsen auf, dass niemand dabei zu Schaden kam. Nach und nach wurden Container von Bord herunter gespült (siehe dazu 2. Nachtrag unten), die den Anwohnern der Playa de Santa Inés Kaffee und Schnaps ebenso wie Kabel, Glühbirnen und vielerlei andere rare Waren bescherten.
Bezüglich der weiteren Geschehnisse zitieren wir "Neues von der Westküste" aus einem Artikel des Jahres 2000:
"Unser Kampf mit den Behörden, spanisch "Autoridades"
genannt
Die Vergrößerung unseres Teams fängt an,
sich ausgesprochen positiv auszuwirken. Sie war unter anderem auch deshalb
notwendig, weil wir es einfach nicht mehr geschafft haben, den Betrieb
so wie bisher zu bewältigen. Allein der Kampf mit den Behörden wird
immer mehr zu einem Fulltime-Job. Schimpfen Sie nie mehr über die Verwaltung
in Deutschland, solange Sie nicht den, mit Hilfe Ihrer Steuern, durch
unglaublich hohe EU-Zuschüsse aufgeblähten Apparat der Kanaren kennen. Unsere
Erlebnisse und die von Leidensgenossen schildern wir demnächst unter
www.aguas-verdes.com. Dort
haben wir einen eigenen Link "Behördendiktatur" eingerichtet,
der auch regelmäßig ergänzt werden soll.
Das Wrack namens Jucar,
welches
seit über 15 Jahren unten in der Bucht liegt und seine Geschichte passen
auch zu diesem Thema. Es ist von Wind und Wellen inzwischen schon ziemlich
angenagt und hat sich dadurch auch enorm verkleinert. Der letzte Rest,
das Heck, ist aber sehr hartnäckig. Wie in den vergangenen Jahren, wurden
auch für dieses Jahr Mittel bereitgestellt, um das Wrack zu entfernen
und ein Meerwasser-Schwimmbecken zu bauen. Laut einer Veröffentlichung
in der Tageszeitung "La Provincia" sind das immerhin 32.000.000,-
Peseten oder etwa 380.000,– DM.
Es wurde auch schon eine Ausschreibung für die Arbeiten veranstaltet. Ebenso wurden inzwischen verschiedene Ingenieurprojekte angefertigt, an denen schon einmal viel Geld verdient wurde. Aber bis heute weiß niemand, ob und wann die Arbeiten in Auftrag gegeben werden. Aus der Sicht der Verwaltung ist das Verfahren schon logisch. Solange das Schiff in der Bucht liegt, bekommt man jedes Jahr für dessen Beseitigung Geld. Wenn es einmal weg ist, kann man kein Geld mehr dafür beantragen. Oder einfacher ausgedrückt: Eine Kuh, die man regelmäßig melken kann, wird man doch nicht schlachten."
Doch Ende 2000 war es dann soweit: Wieder berichtet das Aguas Verdes Team, und diesmal ist es die kaum noch erwartete Meldung, dass nach nunmehr 16 Jahren das Wrack der Jucar dank EU-Geldern tatsächlich abgewrackt wurde.
"16 Jahre nachdem der über 100 Meter lange, gut versicherte Containerfrachter Jucar auf seiner offiziell letzten Fahrt vor unserer Bucht auflief, und einige Jahre nachdem Europa die Gelder zum Abwracken zugeteilt hatte, begann im Dezember 2000 eine spanische Firma mit den Arbeiten ...
Mit Schweißbrennern wurde das Heck in Teile geschnitten. Die Einzelteile wurden mit dem Radlader auf das Trockene gezogen und dort in aller Ruhe in kleinere Stücke auseinander geschweißt. Die verrosteten Teile wurden angeblich nach Puerto del Rosario gefahren und von dort aus per Schiff nach Nordspanien verschifft, um dort wieder eingeschmolzen zu werden.
Und nachdem die Behörden den Arbeitsbeginn bis in den Winter verzögert hatten, kam auch der erste Wintersturm. Am ersten Morgen nach der Sturmflut lag das gesamte Arbeitsmaterial, die Gasflaschen und die Container in der Bucht verteilt und teilweise im Kies vergraben. Inzwischen haben wir nach 16 Jahren wieder eine freie Bucht in Playa de Santa Inés."
Unser Besuch 2004: Die Überreste bestätigen die Geschichte ...
Wie schon damals fahren wir also auch im Jahr 2004 nun wieder vorbei an der Ferienanlage Aguas Verdes, die derzeit recht verlassen wirkt. Wie uns Carsten Zwerenz dazu später mitteilen wird, liegt dies daran, dass die Ferienwohnungen momentan renoviert werden und die Anlage geschlossen war. Vor wenigen Wochen wurde von dem Familienbetrieb wieder mit der Vermietung von Ferienwohnungen begonnen - gut zugänglich und doch weit ab vom Massentourismus sollen Gäste von hier aus Ausflüge, Wanderungen und Mountainbike-Touren starten, an der Küste angeln oder einfach die Ruhe genießen.
Wir stehen nun rund 20 Jahre nach dem Auflaufen der Jucar an der Playa de Santa Inés: Auch wenn sich die erste Behausung direkt am Strand verändert hat seit unserem letzten Besuch an dieser Stelle im Jahr 1995 und die Bucht von oben betrachtet nun recht leer wirkt, so ist doch wenigstens die Natur hier gleich geblieben ...
Wie damals klettern wir auf den glatten und bei Flut teilweise überspülten Felsen entlang, um noch einmal einen Blick auf die See davor zu werfen. Bei Ebbe deutlicher zu sehen als nun bei beginnender Flut ist ein zackiger Metallblock, der aussieht wie ein Motorblock und der ab und zu vom Meer frei gegeben wird.
Und dies ist tatsächlich der Motorblock der Jucar, deren Reste nun viele Jahre später vielleicht noch beim Schnorcheln oder Tauchen auf wenigen hundert Metern verteilt in einer Tiefe von einigen Metern erkundet werden können: Ein hochragender Motorblock, dazu Antriebswellen, Hilfsmotore, vielleicht sogar Teile der damaligen Ladung, des Rumpfes, der Container (siehe 2. Nachtrag unten), oder aber auch Anker und Ankerketten.
Wir gehen zurück zu dem erwähnten ersten Bauwerk, an dem unübersehbar ein "Casa Privada" prangt - haust hier ein von Jucar-Touristen genervter Einheimischer? Doch kein Mensch zeigt sich weit und breit in der Bucht, als wir das "Ausstellungsstück" untersuchen, das in der Nähe des Eingangs dieser "Casa Privada" unweit vom Strand liegt: Es handelt sich zweifelsfrei um ein Bruchstück der Jucar, es ist ein drehbares Teil mit einem großen Zahnrad, vielleicht ein Teil der Schraubenwelle ..?
Auch jede Menge anderer Metallteile findet man noch in der Bucht - möglicherweise wurden viele bei der erwähnten Sturmflut hinein getrieben und liegen noch so herum, wie man sie Ende 2000 oder Anfang 2001 hat liegen lassen - soviel hat die EU offensichtlich nicht gezahlt, um diesen Platz vollständig zu räumen ...
Wir fragen ein englisches Rentnerpaar, das sich hier seit ca. zwei Jahren oberhalb der Bucht angesiedelt hat, nach seinen Erfahrungen mit der Jucar. Zu unserem Erstaunen haben sie noch nie von dem Schiff gehört, sie kennen lediglich den "Motorblock", der unten bei Ebbe aus dem Wasser ragt.
Und dann erzählen sie uns noch verwundert, dass auch ihr Nachbar, der hier seit vielen Jahren lebt, noch nie etwas von dem Schiff erzählt hätte - und das verwundert sie umso mehr, als er ihnen schon viele Bilder des berühmtesten Wracks der Insel gezeigt hat. Nun, die American Star ist hier im Gegensatz zur Jucar schon ein Begriff und der freundliche Engländer fragt sich, ob nicht das Wrack, das vor Lanzarote liegt, in Wahrheit die hintere Hälfte dieser American Star sei.
Nun ja, nicht jeder hier ist eben ein Spezialist für Schiffswracks und so verabschieden wir uns von den beiden und beschließen, später noch zur American Star zu fahren - das berühmteste Wrack der Insel wartet schließlich schon so lange auf uns ...
1. Nachtrag, März ´14: Eine Dekade später - Reste immer noch vorhanden ...
Nach langer Zeit sind wir wieder einmal an der Playa de Santa Inés und schauen uns bei der "Casa Privada" um: Wie immer in all den Jahren ist an der Hütte kein Mensch zu sehen, allerdings wohnt offensichtlich dort jemand, denn alles ist recht gut gepflegt und auch neue Blumentöpfe sind aufgestellt.
Ein Teil am Eingang fällt uns jedoch besonders auf, das die Bewohner dieser Casa mittlerweile vom Strand an den Eingang geschafft haben und das mit dicken Tauen umwickelt ist. Es handelt sich dabei um jenes einst drehbare Teil, das wir bereits anlässlich unseres Besuchs im Jahr 2004 erwähnt hatten (siehe oben) und seinerzeit auch fotografierten (Bild unten links). Dieses Teil liegt nun also wieder 10 Jahre später - etwas versteckter als einst, aber immer noch gut zu erkennen - am Eingang der Casa (Bild unten rechts): Die Jucar grüßt immer noch irgendwie ihre einstigen Besucher ...
2. Nachtrag, November ´15: Erinnerungen - 30 Jahre alte Bilder der Jucar aufgetaucht ...
Wir bedanken uns bei Werner Christ, der schon seit vielen Jahrzehnten nach Fuerteventura reist und sich derzeit als "Teilzeit-Resident" an der Playa de Santa Inés bezeichnet. Er stellt uns einige seiner Fotos zur Verfügung, die aus dem Jahr 1985 stammen. Er schreibt uns, dass die Container seinerzeit schon leergeräumt waren, aber seine Kinder noch Bonbons und Orangen gefunden hätten ...
Somit können wir nun noch einige Bilder zeigen, die schon ein Jahrzehnt vor den unsrigen von oben aus dem Jahr 1995 entstanden sind: Im Jahr 1985 liegt das noch relativ gut erhaltene Wrack umgekehrt und weiter vorn in der Bucht als 10 Jahre später - Wind und Unwetter einer Dekade haben das Wrack nicht nur entstellt in dieser Zeit, sondern auch als Spielball der Naturgewalten versetzt und umgedreht. Ein beeindruckendes Zeugnis der Geschehnisse in der Bucht!
3. Nachtrag, April ´21: Noch mehr Erinnerungen - und auch diesmal wieder fast 30 Jahre alte Bilder der Jucar ...
Wir haben nicht schlecht gestaunt, als wir die Mail von Malcolm Etherington lasen:
Dear friends,
I have just come across your interesting
website about the shipwreck of 'The Jucar'. I took
these photographs in June 1992 when I was on holiday in
Fuerteventura and thought you might be interested to add them to
your website!
Und in der Tat, diese Bilder, die 1992 noch drei Jahre vor unserem allerersten Besuch beim Wrack im Jahr 1995 (siehe oben) entstanden sind, zeigen eine weitere Phase im Zerfallsprozess des Wracks: Sieben Jahre nach den Aufnahmen des 2. Nachtrags, die zeitlich noch am nächsten zum Unglücksjahr liegen, hat das Wrack bereits stark an Farbe verloren und befindet sich in einem Zwischenzustand auf dem Weg zu unseren Fotos von 1995:
Nun kann man also einen großen Zeitraum der Geschichte der Jucar an der Playa de Santa Inés mit Hilfe unserer Bilder verfolgen: Ihren Zustand 1985 relativ kurz nach dem Auflaufen, sieben Jahre später ein nur noch in Resten farblich erkennbares Wrack, wiederum 3 Jahre später bei unserem ersten Besuch 1995 inzwischen ein rostiger Haufen und erneut 5 Jahre später das Abwracken im Jahr 2000. Vier Jahre danach finden wir nur noch einen Motorblock in der See und weitere Überreste sowie erneut eine Dekade später im Jahr 2014 schließlich noch ein Teil als Erinnerungsstück am Eingang der "Casa Privada" in der Bucht - mehr Dokumentation scheint kaum möglich nach all der Zeit - oder etwa doch ..?
© 1995-2021 J. de Haas,
Fotos Abwrackung
Jucar und Zitate: Aguas Verdes Team,
2000
Jucar 1985: Werner Christ, Jucar 1992: Malcolm Etherington