Tag 3 - Von Pfützen und Käse

Könnt ihr euch einen Tag ohne Kaffee vorstellen? Ich nicht. Deswegen an dieser Stelle: Danke, Jan, für die morgendliche Koffeinzufuhr, unabhängig von Laune und Wetter!

Wir starten in den sonnigen, warmen Tag. Der GR 5 begrüßt uns freundlich im Einklang mit der Natur. Nur wenige Meter trennen uns vom Bussard, der sich königlich den Weg zwischen den Baumkronen bahnt. In vollem Grün erstrahlen die Bäume an den Seiten.

Augenblicke der Nachdenklichkeit erschleichen sich beim Passieren der Friedhöfe und Gedenksteine des Ersten Weltkrieges: Zugewachsene Bunker und Versammlungshallen zeugen von einem vermeintlich anderen Leben. Liegt die Zeit wirklich so weit entfernt ..?

Bei einem Bunker des 2. Weltkriegs ... Letze Panorama-Anhöhe vor dem Pierre des Trois Bans Nach dem Refugee Brezouard

Ein von Seerosen bedeckter See lockt uns in die Gegenwart zurück. Die Blüten einer schier randlosen Wiese nicken zustimmend und heißen uns im Dorf Le Bonhomme willkommen. Eine rustikale Gaststätte schenkt uns einen Einblick in die hiesige Mittagskultur - leckere und günstige Menüs, die dazu einladen, länger zu verweilen.

Der zugehörige Lebensmittelladen vervollständigt unseren Proviant mit Roquefort und Ziegenkäse. In der Hitze der prallen Sonne setzen wir den Weg fort: Eine Landstraße schlängelt sich bis zum nächsten freudig erwarteten Wald. Steigende und sinkende Höhenmeter führen uns vorbei an Refuges mit Lagefeuerstellen, verzaubernden Aussichtspunkten und Steinwegen.

Ausblick am Pierre des Trois Bans vor dem Einschlafen ...Ein blassroter Sonnenstrahl berührt das Dach einer Waldhütte - das Etappenziel ist erreicht: Pierre des trois Bans. Ein Meer aus Tannen leitet auf einen Hügel hinauf. Wie auf einer einsamen Insel stehen wir auf dem höchsten Punkt und blicken ins Tal - interessant, dass hier keine Zeltlager aufgebaut werden. Was gibt es schöneres als in Freiheit einzuschlafen?

Jetzt fehlt lediglich noch eines… Wir sehen uns um, suchen, laufen umher - sieglos: Kein Wasser weit und breit. Unsere Vorräte sind ebenfalls aufgebraucht. Gegen den Durst hilft nun wohl nur eine Pfütze: Schöpfen, Filter, Desinfektionstropfen und fertig ist der Genuss. Nahezu so himmlisch wie der von Wein und Käse untermalte Sonnenuntergang ...

Tag 4 - Leben mit Störchen

Aus der Einsamkeit des Waldes gelangen wir in das kleine Dorf Aubure - ein melancholisches Gemälde aus Häusern, aneinander gereiht und zu verkaufen. Im Zentrum eine nahezu unwirklich scheinende Freude: Ein Trinkwasserbrunnen!

Ein aufziehendes Unwetter bestimmt unsere weitere Tagesroute, weg vom GR 5, entlang der schnelleren Alternative. Im Vergleich zu den letzten Tagen eine weniger abwechslungsreiche Strecke, dafür friedlich und naturnah. Baum an Tanne bis zu einer Destillerie. Wie bei einem königlichen Empfang werden nur für uns die Tore geöffnet ...

Destillerie auf dem Weg nach Ribeauville Storch in Ribeauville ... Burgblick in Ribeauville

Danach folgen wir wieder dem GR 5: Vom Regen liebkost erreichen wir Ribeauvillé und werden von schmalen Gassen in einen Traum im Stile der Renaissance getragen - von den Dächern der Stadt begrüßen uns Storche in kunstvoll errichteten Nestern. Unwiderstehlicher Flammkuchen versüßt den Besuch. Wir können uns nicht von den schwarz-weißen Vögeln lösen, überdies scheinen sie Teil des gesamten Ortes zu sein: Beim Stolzieren über den Campingplatz lassen sie sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Hier bleiben wir!

Tag 5 - Im Katzenthal des Weines ...

Der heißeste Tag der Woche erwartet uns. Bis zu 35°C wurden vorhergesagt. Wir beeilen uns aus der Stadt zu kommen, weswegen wir uns nur mit einem Auge am Samstagsmarkt erfreuen können. Schade ...

Ein Waldweg führt uns an umgefallenen Bäumen, hellen Kirchen, verlassenen Aussichtspunkten und Brücken an schmalen Flussübergängen vorbei. Pässe reihen sich an Hügel. An einer Kreuzung folgen wir den Schildern zur Burg Bilstein ... Eine Burg war hier sicher im 13. Jahrhundert vorzufinden. Inzwischen dient allerdings eine alleinstehende Stützwand als Zeuge der vergangenen Zeit. Der Weg lohnt sich dennoch - das Panorama ist atemberaubend. 

Eidechse an den Ruinen von Burg Bilstein Blick über Katzenthal

Vom Schlossberg gelangen wir zum Kayersberg und queren die Weinroute. Leider ist die Sonne derweil zu hoch gestiegen, als dass ein Abstecher verführerisch erscheinen könnte. Von der erbarmungslosen Hitze begleitet, bewegen wir uns in das tiefergelegene Katzenthal: Mit seinen zahlreichen Weinbergen liegt es ebenfalls zu Recht an der "Elsässischen Weinstraße" ...

Nach zehn Stunden und unzähligen Auf- und Abstiegen spüren wir ... nichts mehr. Busse fahren am Nachmittag ebenfalls nicht mehr und so bleibt uns lediglich die Autobahn. Zu Fuß!

Fünf von zehn Kilometern sind erkrochen, als wir vor der Stadteinfahrt von Ingersheim stehen. An der Ampel hält ein Auto - ein Hoffnungsschimmer. Die Dame im Fahrzeug möchte gerade in ihre Straße abbiegen, als sie und ihre Tochter beschließen, für uns den Umweg bis nach Colmar zu fahren.

Herzlichen Dank an Noura und Nourchade Sayari! Sie haben uns gerettet, zum Lächeln gebracht und die schnellsten Kilometer unserer Tour erleben lassen!

Und unser Fazit?

Die Vogesen sind ein verzauberndes Mittelgebirge: Gefüllt mit Erfahrungen und unzähligen Routen. Wanderungen eignen sich für jeden, da Dauer und Schwierigkeitsstufen frei anpassbar sind. Durchgehende Markierungen weisen den Weg.

Unangefochten ist der GR 5, der auf eine charmante Art und Weise durch das Gebirge zu führen weiß. Die Ausblicke dort sind unvergesslich und lassen jegliche Strapazen vergessen. Wer außerhalb der Sommer-Hochsaison läuft, wird bald das Gefühl bekommen, der einzige Mensch auf Erden zu sein ...


© 2017 Eva Kaznelson