Kleine Frankreichrundfahrt

Das Wetter hat die Chance auf Besserung nicht genutzt und zur Strafe dafür fahren wir jetzt schnell nach Norden, Richtung Le Puy. Unterwegs treffen wir auf einen alten Peugeot J7 mit dreigeteilter Hecktür - wehmütige Erinnerungen an unseren früheren "Püschobus" kommen auf. Mit zwei Kindergartenkindern und diesem feuerwehrroten Kultauto sind wir in den 80er Jahren zwischen der Bretagne und Griechenland unterwegs gewesen - schön war die Zeit. Heute sind diese Fahrzeuge sehr selten geworden und dieser Fund auf dem Acker ist wohl auch nicht mehr fahrtauglich ...

In Le Puy finden wir schnell zu dem empfohlenen Stellplatz unterhalb der Felsenkirche: Der ist aber brechend voll und so flüchten wir gerne auf den benachbarten Campingplatz. Der kostet halt 16 Euro die Nacht und ist deshalb fast leer. Alle mittellosen Umsonstparker in ihren teils gigantischen Wohnmobilen und -anhängern mit beidseitigem Slide-out stehen nun zwischen der Ringstraße sowie unserem Campingplatz und schirmen uns vom Straßenlärm ab. So befinden wir uns zwar mitten in der Stadt, aber merken das nicht, fühlen uns wie auf dem Land - ja, wäre da nicht der Rettungshubschrauber, der zweimal an diesen Tagen das benachbarte Krankenhaus anfliegt und dabei wirklich direkt über unseren Köpfen kreisen muss ...

Ein großer Park gleich neben unserem Platz bietet neben einem sehr schönen "dogwalk" auch einen verkehrsarmen Weg direkt in die Altstadt. Der Gipfel von alledem ist natürlich die Felsenkirche, ein Bau aus dem Mittelalter, hoch oben auf der Spitze eines sehr steilen zahnartigen Felsens, dem Basaltschlot eines früheren Vulkans. Wirklich beeindruckend!

Trauriges Nostalgieauto ... Gigant auf (kostenlosem) Stellplatz direkt am Straßenlärm ... Ruhiger (kostenpflichtiger) CP, direkt hinter überfülltem lauten Stellplatz ...
Parkanlage mit Sportmöglichkeit und Kultur 1792: Kapelle und Kathedrale. Heute trägt der höchste Punkt die rosarote Maria mit Kind
Einfahrt zu Stellplatz und Campingplatz Dieselbe Stelle bei Nacht ... Marienstatue, heute natürlich geschlossen ...

Wir bleiben drei Nächte, denn wir sind tatsächlich dem Mittelmeertief entkommen und genießen wieder Sonne und Wärme. Am ersten Vormittag besteigen wir den Kirchenberg: Nicht den kleinen Vulkanzahn mit Kapelle, da kommt man nur mit Schwindelfreiheit hoch. Der Kirchenberg ist wesentlich größer, auch höher, und beherbergt neben Kapellen, Konvent, Priesterschule auch die alte Kathedrale sowie eine eiserne Jungfrau in Rosarot auf dem Gipfel der höchsten Erhebung. Hier wurden nach der Eroberung von Sewastopol im Krimkrieg 1855 erbeutete 213 russischen Kanonen eingeschmolzen und zu dieser Statue gegossen.

Uns wird klar, dass Le Puy ein wichtiger Wallfahrtsort und Bischofssitz ist. Die ganze Oberstadt ist fest im Besitz der Kirche. Das Innere der Kathedrale verblüfft erst einmal: Man kommt über ein Seitenschiff in den Raum und hätte von außen eine andere Lage vermutet. In beiden Seitenschiffen sind große Gemälde mit zahlreichen Personen abgebildet und ich bin mir sicher, dass diese Gesichter von zeitgenössischen Stiftern stammen, die verewigt werden wollten und wie Passbilder den Betrachter anschauen ...

Bilder in der Kathedrale ... Markt in Le Puy Wir nannten ihn Brotkäse: Anstatt Brot zum Wein gegessen – köstlich!

Am Nachmittag erkunden wir zum ersten Mal die Altstadt, lassen uns zum Essen in einem der vielen kleinen Straßenlokale nieder und erfahren so nebenbei, dass morgen, am Samstag, Markttag im Bereich der zentralen Altstadtstraßen ist. Klar, da müssen wir morgen hin! Auf weitere Kirchenrunden können wir dann gerne verzichten.

Und natürlich ist dieser Markt ein Event, vorwiegend ein kulinarisches Erlebnis. Was es da alles zu kaufen gibt: Besonders die vielen Käsesorten haben es uns angetan. Einen gut faustgroßen Käse mit trockener, faltiger Rinde kennen wir nicht und da es diesen Käse an vielen Ständen gibt und die französischen Marktbesucher ihn sehr gerne kaufen, werden wir ihn auch probieren. Ein paar Stücke Schinken, Salami, Oliven und natürlich einige Kilo der hier als lokale Spezialität angebotenen Linsen wandern noch in unsere Einkaufstaschen. Dann suchen wir uns wieder ein originelles Straßenrestaurant, von denen es hier viele gibt, und bestellen zur Einstimmung das hier übliche Linsengericht in Senfsauce mit würzigen Würstchen ...

Danach verlassen wir Le.Puy-en-Velay in nördlicher Richtung und steuern auf einen anderen "Puy" zu, Le-Puy-de-Dome, den bekannten Vulkankegel wenige Kilometer westlich der großen Stadt Clermont-Ferrand. In den Werbeprospekten wird diese Region der alten Vulkankegel als eine der herausragendsten in ganz Frankreich beworben und mit echt schönen Aufnahmen eines grün bewachsenen Kraters unterlegt.

Diesen fantastischen Blick von oben in die Krateröffnung wollen wir uns auch gönnen, zumal der Himmel klar ist und das Licht geeignet erscheint. Wir stürzen uns also in das Getümmel des Massentourismus und fahren mit der Zahnradbahn die 12 Minuten hoch zur Bergstation: Die Bahn fährt spiralförmig den Kegel des Puy-de-Dome hoch und man bekommt auf diese Weise einen 360°-Rundblick über die gesamte Region.

Aufmerksam schaue ich nach diesem grünen Kegel mit Krater aus, kann aber nirgendwo so ein spektakuläres Ding erkennen. Nur einige harmlose kleine Grashügel in größerer Entfernung stehen da herum. Oben angekommen hoffe ich durch eine Umrundung des Puy-de-Dome Gipfels doch noch den ersehnten Blick zu erhaschen. Aber Fehlanzeige: Das berühmte Fotomotiv stammt wohl von dem Kraterrest links im Hintergrund des Bildes, muss aber bei wesentlich besserem Licht und vom Flugzeug aus abgelichtet worden sein. Einige kleine Flugzeuge sind auch immer wieder zu sehen, wie sie die Vulkane hier umkreisen ...

Leuchtender Vulkankrater auf Werbeprospekten, hinten Puy-de-Dom ... Eher traurige Wirklichkeit: Zu weit weg, Licht und Einfallswinkel mäßig ...

Trotz dieser Enttäuschung hat sich die Fahrt auf den Puy-de-Dome doch irgendwie gelohnt. Die Lage der kleinen Berge ist hübsch, wenn auch nicht spektakulär. Man hat von oben einfach den besseren Überblick - Binsenweisheit nennt man wohl diese Erkenntnis ...

Langsam tuckern wir weiter Richtung Burgund, meiden bekannte Städte wie Clermont-Ferrand und Vichy, machen Stationen in St.Pourcant, Gannay an der Loire und Beaune, der Weinstadt im Burgund. Dort wollte ich eigentlich einige Flaschen Burgunder kaufen, aber bei Preisen von 50 bis 400 Euro pro Flasche für den Grand Cru hört bei mir der Spaß auf. Beaune ist aber ein nettes altes Städtchen und einen Stopp in jedem Fall wert.

Wie immer auf der Heimreise lässt das Interesse an Land und Leuten etwas nach, die Fahrt wird schneller und wir lassen die Region Franche-Comte mit den Städten Besancon, Montbeliard und Belfort links liegen. Erst einige Wochen nach der Reise sehe ich in einem Film über Franche-Comte, also den französischen Jura, wo hier die interessanten Gebiete gewesen wären: Rechts, also südlich der Autobahn, etwa am Verlauf des Flusses Loue, der sich tief in den Jurakalk geschnitten hat und an dem auch die Kleinstadt Ornans liegt, der Geburtsort des französischen Malers Courbet, einem Meister des Realismus im 19. Jahrhundert ...

So aber bleiben wir unwissend auf der Autobahn und steuern Mühlhausen an. Doch hier treffen wir wieder auf eine pulsierende Großstadt, was wir im Urlaub garantiert nicht brauchen. Also weiter zu unserem bekannten Weinberg am Rangen in Thann, am südlichen Rand des Elsass, wo der Urlaub mit würzigem Riesling ausklingen darf ...

Steiler Rangen, einziger Elsässer Weinberg auf Vulkangestein ... Infotafel zum Grand Cru Rangen

© 2019 Sepp Reithmeier 


Anm. der Red.: Weitere Beiträge von Sepp Reithmeier finden sich in unserer Autorenübersicht!