Buchanka

 Ein Fahrzeug, das ein Lächeln bringt ...


Heute mal für mich als passionierten Roveristen was ganz anderes, nämlich einen Fahrbericht von einem russischen Kleinbus: Der Hintergrund dafür ist, dass ich zwar für den UAZ 452 Buchanka meinen Land Rover niemals hergeben würde, aber wenn es ihn vor einigen Jahren, als ich anfing den Land Rover zu restaurieren, schon in dieser Art in Deutschland mit Euro 6 gegeben hätte, wäre der Landy vielleicht nie restauriert worden.

Der Landy: Ebenfalls ehrlich gebaut ...Ich empfand ihn immer als ernsthafte Alternative zum Landy, weil er genauso ehrlich wie der Landy gebaut ist. Nun wollte ich ihn einfach mal testen, da Russland ja auch nach wie vor ein Ziel von mir ist und weil den Buchanka in Russland vermutlich jeder Dorfschmied reparieren kann. Also machte ich aus reiner Neugierde eine Probefahrt aus.

Was gibt es jetzt zu erzählen, was nicht schon in vielen YouTube Videos erzählt wird? Technische Daten lassen sich im Internet problemlos finden und natürlich auch der realistische Straßenverbrauch, der sicher nicht wirklich niedrig ist. Für mich ist aber erst etwas anderes wichtig.

Dass Qualitätsansprüche bei einer über 60 Jahre alten Konstruktion sicher anders als moderne sind, versteht sich irgendwie von selbst. Beim Begriff "Qualität" kommt es aber wie so oft darauf an, was man erwartet: Für mich war Qualität noch nie das Röhrchen in der Mitte des Fahrersitzes, das einem regelmäßig Puderzucker in den Allerwertesten bläst, sobald man Platz nimmt. Spaß beiseite ... Wohnzimmerambiente und automatisch schließende Türen brauche ich nicht. Für mich ist Qualität, dass es immer Teile geben wird und man nicht vorhandenes sogar selber bauen kann.

Die Technik zu verstehen und nicht eine große, unverständliche, fahrende Blackbox vor mir zu haben ist mir wichtig. Der russische Volksmund sagt (ja, auch dort gibt es einen), dass der Buchanka immer, auch ohne Öl, ankommt. Der Buchanka erfüllt genau das seit Jahrzehnten, obwohl er weit entfernt von Perfektion ist. Aber der Übergang zwischen Perfektion und Pedanterie kann ja fließend sein.

Buchanka: Basteln angesagt!Bei Made-in-Russia wird am nackten Importmodell noch jede Menge gebastelt, um ihn für unsere Qualitätsansprüche akzeptabler zu machen. Wenn man sich entsprechende YouTube-Filme anschaut erkennt man, dass es sich wohl um den einzigen Händler handelt, der mit den Schwächen seines Angebotes eine Art Werbung macht. Aber alles was dort gezeigt und gemacht wird, ist extrem sinnvoll und ich würde es auch selbst machen. Dazu gehört es, Radlager und Antriebswellen zusätzlich zu kontrollieren und zu schmieren, Karosseriestöße abzukleben und Unterbodenschutz sowie Hohlraumschutz einzubringen.

Ich bin ja nicht der Kleinste und körperlich nach meinem Motorradunfall nicht mehr ganz so fit ... um nicht zu sagen ... behindert. Meine ganze linke Körperseite ist nach einem Schädel-Hirn Trauma nur noch eingeschränkt brauchbar. Lässt sich also das Ding auch mit körperlichem Handicap einigermaßen bewegen? Mit meinem Land Rover geht das ja sehr zufriedenstellend. Die primäre Frage war für mich also, wie gut ich überhaupt einsteigen kann?

Die winzige Trittstufe zum Einsteigen befindet sich vor dem Vorderrad, über dem man ja quasi sitzt, und ist sehr klein und nahe am Türscharnier. Für Gesunde überhaupt kein Problem. Für mich war es auf der Fahrerseite auch keines abgesehen davon, dass ich schon ein wenig turnen musste (alles Therapie), denn ich konnte mich am Lenkrad gut ins Auto ziehen. Auf der Beifahrerseite gibt es keinen Griff und da war es schon ein größeres Problem. Da beim Buchanka aber auch das Armaturenbrett aus Blech ist, lässt sich problemlos eine Halteschlaufe an passender Stelle anbringen ohne Angst haben zu müssen, dass teures Plastik ausreißen könnte.

Damit sind wir gleich an einem Punkt, den ich persönlich sehr sympathisch finde.

Dieses Auto lädt bereits in den ersten Minuten zum Basteln und Schrauben ein ... und was das Beste ist: Man KANN auch schrauben und basteln! So etwas kommt mir entgegen, auch wenn es erst mal sogar nötig ist. Ist aber alles Therapie!

Der zweite Punkt zum Umbauen ist gleich die Pedalerie des Autos: Um zu kuppeln oder zu bremsen muss man den ganzen Fuß hoch heben, um ihn auf das entsprechende Pedal zu bekommen. Das Bremspedal ist locker zwölf Zentimeter höher als das Gaspedal. Das Kupplungspedal ist genau so hoch angeordnet wie das Bremspedal.

Pedalerie gewöhnungsbedürftig ...Mein Begleiter von der Firma hatte wohl Angst, dass ich dieses ungewöhnlich angeordnete Bremspedal nicht finden könnte und rief schon zweihundert Meter vor der roten Ampel "jetzt langsam bremsen" ... Diese Pedalpositionen sind nicht nur sehr unergonomisch, sondern auch umständlich und möglicherweise der früheren Seilzugbetätigung von Kupplung und Bremse geschuldet. Inzwischen ist alles hydraulisch, aber die Pedalanordnung hat man wohl einfach so gelassen.

Hebt man den Fuß auf die entsprechenden Pedale, berührt man bei meiner Größe auch noch mit dem Knie das Lenkrad. Nicht wirklich behindernd, aber doch unangenehm und gewöhnungsbedürftig. Die Bremse geht aber sehr gut und kommt bereits auf den ersten Zentimetern. Die Kupplung kommt idealerweise erst auf den letzten fünf Zentimetern, womit beide Pedale ohne größere Probleme weiter hinunter verlegt werden könnten. Einem begeisterten Schrauber wie mir sagt das natürlich sofort: "Mit ein bisschen Hebel ändern und Pedale umschweißen kannst du die Trittflächen problemlos weiter nach unten schaffen und deutlich gefälliger machen". Der Fahrersitz ist übrigens nicht verstellbar, was es nur nötiger macht, die Pedale anders zu positionieren.

Ein Auto, das mir bei der Probefahrt bereits mindestens zwei schöne Schraubprojekte beschert? Toll. Kein Plastik weit und breit ... alles aus Blech, auch das Armaturenbrett. Allein das kann schon ein Argument sein!

Anders ist das möglicherweise bei der Schaltung: Die Schaltwege sind sehr lang und mir wurde eingebläut, immer erst in die neutrale Schaltgasse in der Mitte der normalen H-Schaltung zu schalten und dann erst von hier aus den Gang einzulegen. Zwar tat ich das erst mal brav, aber es ging dann bei weiteren Versuchen doch recht zügig. Im Land Rover kann man ja auch nicht schalten wie in einem Sportwagen. Am Anfang führte diese Methode automatisch erst mal zu Doppelkuppeln meinerseits, als ob ich in einem alten LKW mit unsynchronisiertem Getriebe säße, aber das war beim besten Willen nicht nötig.

Schaltkräfte und Schaltwege änderbar ...Bleiben also nur die langen Schaltwege als "Manko", die sich aber bei meiner Größe durch einen verkürzten und in der Form optimierten Schalthebel sicher noch ein wenig verbessern lassen. Aber auch hier zeigte sich schon, dass es zwei Kniehebel zur Umlenkung der Schaltbewegung gibt, deren Hebellängen und Geometrie man ändern könnte, weil genug Platz da ist. Damit lassen sich Schaltkräfte und die Länge der Schaltwege gut ändern. Auch dieses "Problem" scheint lösbar. Wenn man hier noch einige moderne Uniball Gelenke einsetzt, hat man auch gleich das ganze Spiel eliminiert, das den langen Schalthebel während der Fahrt umher schlackern lässt.

Als Land Rover Fahrer fiel mir aber sofort auf, wie leise dieses Auto ist: Das schlägt meinen alten Landy um Längen, obwohl sich der Motor vorne zwischen den Sitzen befindet. Ein Benziner ist halt einfach leiser als ein ruppiger Diesel. Er hat ordentlich Drehmoment (2,7 Liter Hubraum lügen nicht!) mit entsprechenden Fahrleistungen. Das Fahrwerk ist natürlich schwammiger als bei einem PKW, aber ungenauer als beim Land Rover ist es auch nicht.

Platz im Fahrerhaus hat man etwas mehr als im Landy: Er hat zwar in etwa den Radstand eines 90er Land Rover und damit die entsprechenden Vorteile im Gelände, bietet aber im Innenraum den Platz des 110er. Eine andere Eigenheit, bei der ich mich wohl umstellen müsste und die man auch nicht ändern kann: Der Buchanka hat kein Mitteldifferenzial und damit auch keinen permanenten Allrad. Heutzutage ist man beim Begriff "Allrad" ja verwöhnt und meint damit häufig gleich einen permanenten Allrad.

Es gibt also kein Mitteldifferenzial, das Drehzahlunterschiede zwischen der Hinterachse und der Vorderachse ausgleichen kann. Das bedeutet, dass er auch nicht mit permanenten Allrad auf der Straße gefahren werden kann. Es gibt zwar eine sogenannte 4H Schaltstufe (4-Räder, lange Straßenübersetzung), aber die ist auf festem Untergrund (Asphalt) ja nicht imstande, Drehzahlunterschiede auszugleichen. Das Resultat dürfte ein völlig verspannter Antriebsstrang sein, mit dem unbedingten Bedürfnis des Autos, immer geradeaus fahren zu wollen. Die H Schaltstufe (also den schnellen Straßengang) nutzt man hierzulande doch sowieso nur dort, wo es Asphalt, also Grip gibt. Dort braucht man auch ein Differenzial, wenn man im Allrad-Modus fahren will. Hier ist also der gebotene "Allrad" völlig unbrauchbar, obwohl man diese Fahrstufe einlegen könnte. Sinnvoll ist es nicht, denn das Differenzial ist das Feature und nicht eine Sperre des Differenzials, weil es permanenten Allrad erst ermöglicht. Ein nicht vorhandenes Differenzial ist nichts anderes als eine permanente Sperre. Die 4H Schaltstufe ist also nur für relativ schnelle Schotterwege sinnvoll. Bemerkung am Rande: In Skandinavien gibt es das und in Russland wohl auch ...

Anders ist es in der Untersetzung 4L (4-Räder Geländeuntersetzung), wo man dann den Allrad einlegt und der lose Untergrund die Drehzahldifferenzen ausgleichen kann, indem die Räder Schlupf haben. Im Gelände kann der Wagen dadurch, wie vielen YouTube-Filmchen zu entnehmen ist, sehr viel. Langsam im Gelände braucht man kein Mitteldifferenzial. Die Option "zuschaltbarer Allrad" bedeutet also, dass das Auto im normalen Alltags-Betrieb nur mit Heckantrieb unterwegs ist. Zusätzliche (käufliche) Freilaufnaben für die Vorderachse sorgen dann sogar dafür, dass im Heckantrieb materialschonend und treibstoffsparend nicht einmal die Innereien der Vorderachse und das Verteilergetriebe während der Fahrt mitlaufen. Der "Nachteil" ist, man muss die Freilaufnaben von Hand an den Vorderrädern sperren, wenn man den Allrad benutzen will. Verkraftbar ...

... bringt die Leute zum Lächeln ...Alles in allem ein äußerst interessantes Gefährt, wenn man nach Russland will ... und nicht nur dann. Diese überschaubare Technik begeistert das Bastlerherz. Eine tolle Reise in ein strahlend sonniges Voralpenland mit dem entsprechenden Blick in die Berge war es auch noch!

Beim Erwerb eines Buchanka sollte es einem also nicht nur primär um den günstigen Preis gehen, sondern auch um die Möglichkeit, sich ein solides Hobby zuzulegen und das perfekte Fahrzeug z.B. für Russland zu haben. Man muss sich aber auch im Klaren darüber sein, dass man ein altertümliches Blattfederfahrwerk bekommt und Knautschzonen quasi nicht vorhanden sind. Da unterscheidet er sich in nichts vom VW Bulli, zu dem die Ähnlichkeit kaum zu übersehen ist. Aber da ist man auch gleich beim Zusatzbonus dieses Autos: Er ist nicht nur ein neu gebauter Oldtimer, sondern er sieht auch so aus und bringt Leute zum Lächeln ...

Hoffentlich führt diese Probefahrt jetzt nicht doch noch dazu, dass ich einen Buchanka haben will: Ich glaube, er bietet genau das Gleiche wie mein alter Land Rover. Überschaubare Technik mit wenig Elektronik, kein unnötiger Kram. Dazu scheint es auch eine große Community zu geben, in der einer dem anderen hilft. So muss das sein!

Wenn man aber Elektroniker ist ... dann sagt man sich, wenn schon Elektronik, dann richtig und selbst gebaut ... dann geistert gleich der Elektro-Buchanka durch den Kopf ... immer diese aufdringlichen Ideen im Kopf ... tsss!


© 2022 Sigi Heider  


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