Euro-Tour: Irland
04.12.2010 -- Wir hatten hier in den letzten Tagen "extremes" Winterwetter: Teilweise bis zu 5 cm (!) Schnee und etwas Eis.
Schulen und Pubs blieben geschlossen und die meisten Leute blieben zuhause. Einige Dörfer waren für Tage von der Außenwelt abgeschnitten und ich hatte schon ernsthafte Sorgen, dass ich es nächste Woche nicht zu meiner Prüfung nach Cork schaffen könnte, die Straßen waren zeitweise gesperrt.
Ich weiß, es klingt alles ziemlich lächerlich für deutsche Ohren, aber hier hat niemand Winterreifen und so etwas wie einen Winterdienst gibt es auch nicht - lohnt sich nicht - und niemand hat Erfahrung mit solchem Wetter.
Die "Deutschen" haben auch diesmal versucht, das Schlimmste zu verhindern, aber wie immer vergeblich: Lidl hatte vor zwei Wochen Streusalz im Sonderangebot und jeder hat darüber gelästert (Snow and ice in Cork? Oh, those fastidious Germans. When will they ever learn?) - aber das hat schnell aufgehört, als der Schnee kam ...
Irland war lange Zeit ein völlig normales Land am Rande Europas, das abgesehen von gelegentlichem Ärger in Nordirland selten in die Schlagzeilen kam. Hin und wieder regte sich ein deutscher oder französischer Finanzminister über die niedrigen Unternehmenssteuern auf, ohne dass jemand groß Notiz davon nahm. Ansonsten war das Land für die meisten Europäer bekannt für Butter, Guinness und nette Menschen. All dies stimmt immer noch, aber seit neustem ist Irland außerdem auch noch praktisch bankrott ...
Ich bin nur zufällig für ein paar Wochen in Irland, als der ganze Schlamassel (nicht ganz unerwartet) über das Land hereinbricht: Hier in Schull (Skull), im äußersten Südwesten Irlands, bekomme ich zwar nur wenig von den Demonstrationen in Dublin und anderen großen Städten mit, aber auch hier in der Provinz ist der Staatsbankrott Thema Nr. 1, zumindest wenn nicht gerade die heftigsten Schneefälle seit über 20 Jahren das Land heimsuchen, so wie in den letzten Tagen ...
Die Unsicherheit ist groß, fast jeder hier ist irgendwie von der Krise betroffen und die Leute blicken generell eher ängstlich in die Zukunft. Im Großen und Ganzen begegnen die Iren all dem jedoch mit irischer Gelassenheit. Hauptschuldiger ist für die meisten die derzeitige Regierung in Dublin, groß ist die Angst vor einem Verlust der Unabhängigkeit und vor Diktaten aus Brüssel, Berlin und Paris.
Großbritannien ist plötzlich ein Vorbild: Das britische Ideal von einem vereinten Europa mit offenen Grenzen, freien Märkten, nationalen Währungen und großer nationaler Unabhängigkeit wird nun von vielen als das bessere Modell angesehen. Im Zweifelsfall traut man (trotz allem) den euroskeptischen Briten eher über den Weg als der von Deutschland und Frankreich dominierten EU. Der Beitritt zur EU und erst recht zum Euro wird von vielen, wenn nicht den meisten, als Fehler angesehen und würde heute wohl nur schwer wieder eine Mehrheit finden.
Doch es ist zu spät, das Kind ist in den Brunnen gefallen und in Dublin haben nun EU- und IWF-Vertreter das Sagen. Ein Hilfspaket ist bereits beschlossene Sache und auf Irland kommen mit Sicherheit einige weitere harte Jahre zu. Wie genau es mit Irland und dem Euro weiter geht, lässt sich nur schwer voraussagen: Vieles hängt davon ab, wie sich der Rest der Eurozone in den nächsten Jahren entwickelt und auch wie die nächste irische Regierung die Probleme angeht.
Ich persönlich würde nicht viel darauf verwetten, dass Irland in 10 Jahren noch Euro-Mitglied ist. Es ist nicht Irlands erste Krise: Historisch gesehen ist das Land ein Synonym für Not, Leid und Unterdrückung durch stärkere Nachbarn. All dies ist tief verankert in den Menschen, denen die Unabhängigkeit ihres Landes im Zweifelsfall wichtiger ist, als harmonische Beziehungen zum Kontinent.
Ein Austritt aus dem Euroraum wäre zweifellos ein schmerzhafter Schritt, würde möglicherweise aber als weniger schmerzhaft empfunden als die jahrelange Demütigung durch Brüssel und den IWF. Die Mehrheit der Iren glaubt ohnehin, dass das Hilfspaket eine Restrukturierung der Schulden nur verzögert und ein Bankrott langfristig unvermeidlich ist. Entsprechend gering ist die allgemeine Begeisterung über neues Geld aus Brüssel ...
Die Fotos entstanden hauptsächlich in meinem
Apartment. Es war saukault und ich war irgendwie
zu faul und zu beschäftigt, um raus zu gehen
(ja, ja, ich weiß - ein echter Outdoorer ...
).
Aber außerdem wird man in einem kleinen Dorf
ja schnell zum Gesprächsstoff, wenn man merkwürdige
Dinge tut - und wer will das schon sein
..?
Alle Bilder auf einen Blick
#1: (Düsterer) Ausblick auf die Hauptstraße ...#2: ... Karte vom Zielort muss sein!
#3: Der Hafen von Skull ...
#4: Arbeitszimmer mit Seeblick ...
#5: Schneechaos (;-): Blick auf Schull vom Sailor´s Hill
#6: Euro von vorn ...
#7: ... genau so weich wie von hinten ..?