Sonntag, 2. November 2008: Ausflug zum Gebel Qatrani bei Faiyum

Das Wochenende vom Freitag, den 31. Oktober bis einschließlich Sonntag, den den 2. November ist bei uns langes Wochenende mit drei Tagen schulfrei. Das haben wir zu einem kurzen Wüstentripp genutzt und sind zum sehr schönen Plateauabbruch des Gebel Qatrani gefahren, nördlich des Sees bei Faiyum ...

Auf nach Faiyum!

So machten wir, ein Lehrerkollege mit seinem Besuch aus Deutschland und die Murr’s, uns Freitagmorgen auf den Weg in die Wüste vor der Haustüre. Der Weg führte ein Stück die Oasenstrasse südostwärts. Nach ca. 50 km verließen wir die Asphaltstraße, überquerten den Bahndamm und fuhren Richtung Süden zur ersten Sehenswürdigkeit. Eine Anhäufung ägyptisch behauener Steine muss wohl mal eine Art kleiner Tempel gewesen sein. Meine Phantasie reichte nicht aus, mir das anhand der Bruchstücke vorzustellen.

Auf dem Weg dorthin musste ich erst etwas Hand an den Unimog legen: Ein Dichtring der Dieselversorgung leckte etwas nach der Schraubaktion beim Zoll vor zwei Wochen. Der Dichtring wahr schnell gewechselt.

Die zweite Sehenswürdigkeit war eine Ansammlung von Lehmziegeln, die aus der Römerzeit stammen sollen. Tief unten entdeckten wir Fundamente, die ich mit römischer Bauart in Verbindung bringen konnte. Das einzig wirklich Beeindruckende aber war der versteinerte Wald auf dem Weg. Man konnte die Jahresringe an den Baumfragmenten deutlich ausmachen.

Mich zog es mehr zu dem Plateau, das schöne Täler und Schluchten zum Stöbern versprach. Der Mercedes G mit dem 300 D-Motor mit 88 PS ist ähnlich schlecht motorisiert wie unser Unimog, so dass die Fahrzeuge gut zusammen passten ...

Wüstenidylle ... Nachtlager in einer Schlucht ...
Opulentes Frühstück ist Ehrensache ... Grandiose Kulisse ...

So kletterten wir am Nachmittag mit den Autos das Plateau mehrmals rauf und wieder runter, ließen keine Schlucht aus und und hatten viel Spaß. Die ganze Region war einmal Meeresboden und war übersäht mit versteinerten Muscheln aller erdenklicher Formen und Größen. Das weckte die Sammelwut meiner Kinder mit dem Erfolg von mehreren Kilogramm Fundsachen. Erst ein Machtwort des Vaters reduzierte die Sammlung auf die wirklich schönen Stücke.

In einer Schlucht, in der wir den Blicken eventuell Vorbeifahrender entzogen waren, schlugen wir das erste Nachtlager auf. Das Verstecken war eigentlich unnötig, denn wie überall in der ägyptischen Wüste ist kein Mensch unterwegs und wir sahen die drei Tage keine Menschenseele.

Der nächste Morgen begann mit Aufstehen zur moderaten Stunde. Ich hatte seit langer Zeit mal wieder prächtig und durchgehend geschlafen. Das Frühstück war opulent mit Schwarzbrot, Wurst, Schinken, Käse und allerlei anderer Köstlichkeiten, die in Kairo nicht selbstverständlich sind. Nur die wachsweichen Frühstückseier gingen etwas daneben.

Auch diesen Tag verbrachten wir in der grandiosen Kulisse des Plateauabbruchs. Am Nachmittag erreichten wir den südlichen Ausläufer. Diese Gegend ist nicht mehr so spektakulär. Als wir dann auf dem höchsten Punkt einen Militärposten entdeckten, kehrten wir um und suchten uns ein schönes Tal für die Nacht ...

Vor spektakulären Felsformationen ...

Petra kochte für die ganze Truppe ihre legendären Spaghetti Bolognese. Nach David´s Chili Concarne vom Vorabend war eine Steigerung sehr schwer realisierbar. Kurzum, wir spielten Sand und Steine und futterten vom Feinsten.

Auch diese Nacht war erholsam und das Frühstück sonntagsmäßig. Wir schlugen die Richtung Nord ein und überquerten zwei Höhenzuge. Einer der Anstiege war wirklich anspruchsvoll, den wir nur mit wenig Luftdruck in den Reifen meisterten. Danach ging es in flotter Fahrt über ein Reg zurück bis zur Asphaltstraße. Auf dem Heimweg endete das tolle Wochenende leider in einem grausigen Stau auf der Sudan Road in Kairo: So waren wir erst um 19:00 Uhr zu Hause und nicht wie geplant um 16:00 Uhr - trotzdem, die Wüste vor der Haustür hat was!

Mittwoch, 5. November 2008: Wer baggert da so spät noch am Baggerloch ...

Als wir schließlich etwas erschöpft am Sonntagabend heim kamen, ereilte uns eine böse Überraschung: Ein großer Hydraulikbagger, der über das Wochenende auf unsere nachbarliche Baustelle gebracht worden war, erwachte ab 22:30 Uhr zum Leben und fing an, die Baugrube für das zu entstehende Haus auszuheben. Das Erdreich wurde sofort auf Vierachser verladen, die im Viertelstundentakt den Aushub weg brachten. Das Schauspiel ging bis 4:00 Uhr früh unter infernalischem Lärm von statten.

An Schlaf war da nicht zu denken, auch weil die arabischen Häuser einfachverglast sind und kein Fensterrahmen dicht ist. So dringt Lärm von der Straße weitgehend ungebremst in unser Schlafzimmer. Leider liegt die Resonanzfrequenz eines unserer Schlafzimmerfenster genau bei der Drehzahl des Baggermotors unter Last. Das fängt also ständig an, zu dröhnen. Das bekam ich mit einem Stück Pappe zwischen Fenster und Rahmen in den Griff. Ab 2:00 Uhr suchte ich nach Lösungen. In Rosis Zimmer, das auf der anderen Seite des Hauses ist, war der Lärm nur unwesentlich leiser. So duschte ich, um munter zu werden, und setzte mich bis 4:00 Uhr morgens an den Rechner. Es kamen also diese Nacht zwei Stunden Schlaf heraus ...

Wer baggert da so spät noch am Baggerloch ..?

Das Event spielt sich seither jede Nacht hier ab. Hintergrund der Nachtaktionen ist, dass tagsüber LKW-Fahrverbot in unserem Viertel besteht. Sollte das zur Ruhe der Anwohner sein, geht der Schuss nach hinten los, oder ich mache grundsätzlich etwas falsch mit dem Lebensrhythmus hier.

Am Dienstag habe ich mir in der Apotheke Ohrstöpsel gekauft: Das lindert etwas. Von den 25db Dämpfung, die auf der Packung angepriesen werden, hatte ich mir allerdings mehr erhofft. So raubt mir der Bagger jede Nacht den wenigen Schlaf, den ich hier bekomme.

Wenn ich die Fortschritte an der Baugrube hochrechne, baggert das Ungetüm noch ca. fünf Nächte, bis die Grube fertig ist. Merke: Miete keine Wohnung neben einer Baustelle in Kairo, denn der Bär geht immer Nachts ab ...

Exkurs: Eine Reise nach Deutschland mit überraschenden Folgen ...

Nun sitze ich am Gate 45 am Münchner Flughafen und warte auf mein Flugzeug nach Kairo: Hinter mir habe ich 15 Tage München und Berlin. Der Grund für meinen Aufenthalt in Deutschland war das Packen von 20 Kartons Luftfracht, eine Schulung auf TYPO3 und das Bauen von einigen Unimurr-Produkten.

Häuslich eingerichtet ... ;-))Der Flug von Kairo nach München verlief ereignislos und langweilig. Der Service bei Egyptair war sehr gut. Das Beste war die Süddeutsche Zeitung, die kostenlos verteilt wurde. München empfing mich mit schönstem Wetter und milden 16°C. Das war kein nennenswerter Unterschied zu Kairo. Ich vermisste also keine warme Jacke, die ich natürlich nicht dabei hatte. Wie jedes Mal, wenn ich S-Bahn fahren muss, scheiterte ich am Zonensystem. Ich habe bis heute nicht kapiert, wie viele Streifen der Streifenkarte ich zum Flughafen abstempeln muss.

So stand ich bald vor meiner Werkstatt in Trudering, die zur Zeit hauptsächlich als Möbel- und Hausratlager dient. Der erste Versuch, unseren dort untergestellten Berlingo zu starten, scheiterte an einer tiefentladenen Batterie. Der Berli durfte nicht mit nach Kairo. Er muss in der Werkstatt ausharren und wartet nun immer darauf, dass die Murr´s nach Deutschland kommen und beweglich sind. Nach einer Stunde am Ladegerät tat es die Batterie wieder und der Berli war startklar.

Ich begann mich in dem geringen verbliebenen Raum in der Werkstatt häuslich einzurichten: Den kleinen Küchentisch baute ich als Arbeitstisch zusammen und eine der Kinderbettmatratzen war meine Schlafstätte. Ein Einkauf beim Tengelmann um die Ecke mit Kaffee, Milch, Zucker und noch ein paar Kleinigkeiten erhöhten den Komfort der Pension Unimurr beträchtlich. Ich wollte in kein Hotel gehen. Ich verabscheue Hotelzimmer und zu teuer ist es in München ebenfalls. Einer der Mankos der Pension Unimurr war die fehlende Dusche. Die Hygiene musste also, wie in alten Zeiten, mit Waschen aus der Schüssel erledigt werden. Zuerst war es richtig warm in München, so dass ich auf das Heizen verzichten konnte. Das änderte sich leider zwei Tage später mit einem Kälteeinbruch ...

Zuerst begann für mich der unerfreuliche Job des erneuten Kistenpackens. Eigentlich waren alle Kisten für Kairo schon beim Auszug aus unserm Haus gepackt. Der ägyptische Zoll verlangt aber eine detaillierte Liste des Kisteninhaltes. Jedes Paar Socken und jede Unterhose muss gelistet sein. Ich bin sehr gespannt, ob in einer Woche der Zoll das auch kontrolliert, wenn ich die Kisten am Kairoer Flughafen abhole.

So baute ich also Laptop mit Laserdrucker auf und begann, alle Kisten wieder auszuräumen, den Inhalt zu erfassen und alles wieder zu verpacken. Natürlich blieb vieles zuhause, was in Kairo problemlos zu kaufen ist. Mit unserer nun dreimonatigen Ägyptenerfahrung konnte ich sehr gezielt einpacken, so dass letztendlich nur zwanzig Kisten mit 250 kg heraus kamen. Ganze fünf Tage nahm dieses Erfassen unseres Umzugsgutes in Anspruch.

Internet-Zugang vor der Werkstatt ..?Inzwischen war es bitter kalt geworden in München, so dass ich bei geschlossenen Werkstatttüren und Kunstlicht arbeiten musste. Mit meinen diversen Gasheizern schaffte ich so zwischen 12-15°C Raumtemperatur in der Werkstatt, so dass der Aufenthalt erträglich war. 

Richtig frisch wurde es über Nacht. Da fiel die Temperatur auf unter 10°C in der Werkstatt ab. Glücklicherweise konnte ich auf die gesammelte Auswahl Murrscher Schlafsäcke zurück greifen. So waren meine Nächte trotzdem angenehm und vor allem ruhig, ganz im Gegensatz zu Kairo.

Der wirkliche lästige Umstand an der Pension Unimurr war der fehlende Internet-Zugang: Ein freundlicher WLAN-Nutzer hat in der näheren Umgebung meiner Werkstatt sein WLAN nicht geschützt, so dass ich schon seit drei Jahren vor der Werkstatt aus Zugang zum Internet habe. Ärgerlicherweise geht das aber nur auf der Wiese vor der Werkstatt.

In der Werkstatt hinter dem Tor ist es vorbei mit WLAN-connect. Also besorgte ich mir einen externen USB-WLAN-Stick mit fünf Meter USB-Verlängerung, um das WLAN vor der Tür, den Notebook aber in der warmen Werkstatt zu haben. Ich weiß noch nicht warum, aber ich habe das nicht zum Laufen bekommen. Alle gesicherten Netze der Umgebung konnte ich empfangen, aber nicht den entscheidenden ungesicherten WLAN-Router.

Nach einem halben Tag Herumgefummel mit dem externen WLAN gab ich auf und bin dann also ein paar Mal am Tag mit dem Notebook vor die Werkstatttür, um Mails abzurufen und zu versenden. Richtig ungemütlich wurde es, wenn ich abends mit Petra über Skype telefonierte: Ich setzte mich dazu meistens in den Berlingo, um wenigstens etwas Windschutz zu haben. Aber wer seine Frau richtig liebt, wie ich, nimmt schon einiges auf sich, um ihre Stimme zu hören. Die abendlichen Telefonate machten das triste, einsame Packen etwas erträglicher. Als ausgeprägter Familienmensch waren diese einsamen zwei Wochen nicht gut für die arme Unimurr-Seele ...

Am Sonntagmittag machte ich mich dann auf den Weg nach Berlin. Mit dem Packen war ich bis auf eine Klamottenkiste und die Computerkiste fertig. Durch zwei Mitfahrer über die Mitfahrzentrale hatte ich die fünf Stunden Fahrzeit einen interessanten Gesprächspartner aus Simbabwe. Der zweite kam aus Mauretanien und war eher wortkarg. Wir diskutierten alle Probleme Afrikas und hätten sie wohl noch gelöst, wenn wir nicht zwischenzeitlich in Berlin angekommen wären. Den Stadtteil Spandau fand ich relativ leicht und auch meine vorbestellte Pension.

Der Winter holt auf ...Die Pension war ein nettes Zweifamilienhaus: Die Pensionsbesitzer bewohnten die Mansardenwohnung im ersten Stock, in Parterre und dem Souterrain waren die diversen Zimmer der Pension untergebracht. Ich war in der ersten Nacht der einzige Gast. Der Pensionsbesitzer erklärte sich bereit, mir sein WLAN einzurichten, das schon länger in der Ecke stand. Am zweiten Tag hatte ich also WLAN und Internet vom Feinsten. Vor allem das Frühstück muss erwähnt werden: Diverse Schinken, schmackhafter Käse und ungarische Salami waren für mich Ägypter ein seltener Gaumenschmaus ...

Tags drauf begann mein Kurs zum Content-Managementsystem TYPO3. Die vier Tage Kurs lassen sich so zusammen fassen, dass ich den vollen Umfang dessen, was ich nicht weiß und noch lernen muss, vermittelt bekam. Die Zeit wird zeigen, was in meinem altem Hirn wirklich hängen blieb. Das Tempo war beträchtlich und war schon an der Grenze meiner Aufnahmefähigkeit. Das Lernen beginnt erst richtig, wenn ich wieder in Kairo bin.

Entschädigt hat mich jeden Abend der Italiener in der Nähe der Pension, wo ich in ruhiger, gemütlicher Atmosphäre exzellent speiste zu deutlich moderateren Preisen, als in München. Es fehlte mir nur meine Familie.

Den freien Dienstag nutzte ich für einige Internetbestellungen und diverse Einkäufe für Kairo. Es war in Berlin inzwischen lausig kalt mit einem ekelhaft kalten Wind. So war ich nicht böse, mit dem Auto meine Besorgungen machen zu können.

Am Freitag sah ich mit Sorge dem Ende des TYPO3-Kurses entgegen, da der Wetterbericht ein Schneechaos für den Nachmittag voraus sagte. Mein Berlingo hatte keine Winterreifen und ich hatte wenig Lust, in einem Mittelgebirge im Schneetreiben stecken zu bleiben. Ich fuhr also los, diesmal ohne bezahlende Fahrgäste, und kam prompt kurz nach Berlin in das befürchtete Schneetreiben. Nach einer Viertelstunde hatte ich die Wetterfront überholt und fuhr nun auf trockener Straße, immer den Wintereinbruch im Nacken, nach München. Ich war noch keine halbe Stunde in der Werkstatt angekommen, da brach der Winter mit Eis und Schnee und Minusgraden auch über München herein ...

Nach dem ich Samstags erst mal ordentlich eingeheizt und mit Croissants gefrühstückt hatte, packte ich noch den Rest und die neu erworbenen Sachen ein. Ab Sonntagmorgen baute ich dann mit Tempo an den Unimurr-Aufträgen. Alle bestellten Teile waren inzwischen angekommen und so ging die Produktion von fünf Satz Vorgelegeentlüftung gut von der Hand. Es machte richtig Spaß, mal wieder mit den Händen zu arbeiten. Der Körper quittierte die drei Tage mit dem Gasbrenner, dem Einhandwinkelschleifer und mit dem Schweißgerät mit einem ordentlichen Muskelkater in Arm und Schultern.

Ungewohnt für "Ägypter": Eis und Schnee in München ...Zwischendrin musste ich noch so ärgerliche Dinge erledigen wie zum Hauptzollamt gehen, weil eine Ebay-Bestellung aus China dort landete. Außerdem fehlte ständig eine Kleinigkeit, die zeitaufwändig besorgt werden musste.

Einen Tag vor Abflug war ich fertig und die Bausätze verschickt. Ich nutzte diesen freien Tag für die letzten Einkäufe und das Aufräumen in der Werkstatt. Da wurde ein ganzer Laib Brot aus der Ökobäckerei, vier Salamis und drei rohe Schinken angeschafft. 

Große Sorgen machte mir darauf hin das Gewicht meines Fluggepäcks: Die große Reisetasche brachte es auf unserer alten Personenwaage schon auf 23 kg, erlaubt sind 20 kg. Mein Handgepäck, ein neu erstandener Rucksack für 17" Notebooks, brachte 13 kg mit drei Notebooks auf die Waage. Hier sind nur 8 kg erlaubt. Als unerfahrener Gelegenheitsflieger konnte ich die Schwere dieses Problems nicht abschätzen.

Es war dann alles kein wirkliches Problem: Bei der Egyptair dürfen 25 kg Fluggepäck mitgenommen werden und das Handgepäck wird nicht gewogen. Nur bei dem Sicherheitscheck schauten die Beamten etwas überrascht, als ich drei Notebooks aus dem Rucksack räumte.

Während des Rückflugs habe ich hauptsächlich auf Petras neuem 12,1-Zöller diesen Bericht geschrieben. Etwas beengt, aber machbar. Aufruhr gab es in Kairo an der Gepäckausgabe, als die Logistiker das Gepäckband verwechselten und das Gepäck aus München auf der Bandstraße von Wien rotierte. Nach tumultartigen Szenen kam dann doch jeder zu seinen Koffern und Taschen. Der Zoll ignorierte das Fluggepäck zu meiner Freude vollständig und so war ich schnell aus dem Flughafengebäude und auf dem Vorplatz, wo ich auf meine Familie wartete. Bei 21°C ließ sich das gut aushalten. Petra und die Kinder wollten mich abholen, verspäteten sich aber durch den unvermeidlichen globalen Donnerstagnachmittagsstau in Kairo. Nach einer halben Stunde Wartezeit kam die Familie endlich mit ihrem gelben Taxi und die Murr´s waren wieder komplett. Hamdulillah!

Meine Eindrücke und Wahrnehmungen in Deutschland trafen mich überraschend. Zuerst musste ich meinen Fahrstil wieder etwas zivilisieren. Das hieß Blinken beim Richtungswechsel, in der Spur fahren, Geschwindigkeitsbeschränkungen beachten, auf den rückwärtigen Verkehr achten und die Finger vom Hupenknopf. Das gelang mir zügig. Genervt hat mich dann zwei Wochen lang die Unflexibilität des deutschen Verkehrs und die Oberlehrermentalität vieler Autofahrer.

Egal, mit wem ich sprach, es war überall eine leicht depressive Stimmung bei den Leuten zu spüren und jeder sprach von seinen Befürchtungen für die Zukunft. Zusammen mit dem grauen Wintereinbruch war es für mich eher bedrückend im Vaterland. Es kam natürlich erschwerend hinzu, dass ich als Heimatloser ohne festen Wohnsitz in München unterwegs war. Die Trennung von meiner Familie tat mir ebenfalls nicht gut.

Kairo dagegen ist ein Moloch, dreckig, laut und anstrengend. Die Menschen sind sehr emotional, im Positiven wie im Negativen. Zu meinem Erstaunen komme ich mental damit nach drei Monaten besser klar, als mit dem deutschen Wehklagen und der Unbeweglichkeit des Denkens. Kurzum, ich war froh, als ich am Donnerstag abflog und ich hatte richtig ein wenig Heimatgefühl, als ich den Lichterteppich des beleuchteten Kairo´s beim Landeanflug vor mir ausgebreitet sah. Das Wiedersehen mit meiner Familie verstärkte das Heimatgefühl sicher. Unser Wächter strahlte richtig, als ich aus dem Taxi stieg und er freute sich sichtlich, mich zu sehen. Das hat mir gut getan. Ein kluger Kopf schrieb einmal, dass Heimat dort ist, wo einem die Menschen aufnehmen und verstehen. Ob das Kairo sein kann, wird die Zeit zeigen.

Die zwei Wochen Deutschland haben mich mit Kairo an vielen Stellen versöhnt und ich sehe mit Sorge dem Umstand entgegen, dass wir irgend wann wieder nach Deutschland zurück müssen. So ändern sich die Zeiten und die Wahrnehmungen. Inshallah und die Wege Allahs sind unergründlich!

Der ägyptische Zoll und Wahrnehmungen nach zwei Wochen Deutschland

Nun bin ich fast eine Woche wieder in Kairo. Meine erste Heimat-Euphorie beim Landeanflug zum Kairo-Airport ist der Einsicht gewichen, in einem arabischen Land gewisse Dinge einfach demütig hin zu nehmen, wenn man die geistige Integrität schützen und das Herz gesund erhalten will. Einer dieser Dinge sind die Zollbehörden in Kairo.

Der Anlass dieser tiefen Einsicht war mein Ansinnen, unsere in Deutschland aufgegebene Luftfracht am Zoll des Flughafens abzuholen. Vorneweg bemerkt, sind wir Angestellten der DEO durch unseren Herrn M, der sich um alle Belange mit Kairoer Behörden kümmert, schon auf der Sonnenseite des Lebens in Ägypten. Trotzdem war das Erlangen unseres Hausrats ein bemerkenswertes Abenteuer.

Zu meiner Verärgerung hat uns die Austrian Airlines nicht, wie vereinbart angerufen, als unsere Luftfracht in Kairo ankam. Geordert haben wir den Transport unserer zwanzig Umzugskisten mit Hausrat und Kleidung über die Spedition Quirx. Die Betreuung für mich unerfahrenen Versender von Luftfracht war in Deutschland beim Packen der Kisten auch vorbildlich. Eigentlich waren die Umzugskisten für Kairo schon gepackt. Der ägyptische Zoll verlangt aber eben eine detaillierte Packliste über den Inhalt der Kisten, weshalb ich alles noch mal auspacken musste, um eine detaillierte Liste zu erstellen. Das kostete mich in München ganze fünf Tage, wie schon erwähnt.

Laut den Frachtpapieren war als Ankunftszeitpunkt der 28.11.08 avisiert. Als am 30.11.08 immer noch kein Anruf der Fluggesellschaft gekommen war, versuchten wir, dort anzurufen und den Status der Sendung zu erfragen. Alle von der Spedition genanten Nummern erwiesen sich als falsch. Nach unzähligen Telefonaten hatten wir dann glücklich einen Repräsentanten der Austrian Airlines an der Strippe, der uns bestätigen konnte, dass die Sendung seit dem 28.11.08 beim Zoll liegt.

Unimi auf der Ring Road ...Tags drauf fuhr ich mit Herrn M zum Flughafen. Der liegt ein Stück außerhalb von Kairo und es dauert beim täglichen Stau auf Kairos Straßen etwa 1,5 Stunden einfach. Dort angekommen, besuchte Herr M zahlreiche Büros, deren Funktion mir meistens verborgen blieb. Ich trabte brav hinter ihm her, seine Tasche tragend und mich in arabischem Gleichmut übend. Letztendlich landeten wir in einer großen Halle: Um da hinein zu kommen, brauchten wir einen Besucheranstecker mit den persönlichen Daten. Dann mussten wir durch eine Schleuse, wie am Flughafen bei der Personenkontrolle.

Natürlich piepste das Ding bei jeder Person, was die Polizeibeamten aber nicht zu Kenntnis nahmen. Nach dieser Hürde wählte Herr M einen Zollbeamten, der sich mit gottgleichem Habitus in der Halle bewegte und gelegentlich einem armen Sünder, der nur seine Ware wollte, einen geringen Teil seiner Aufmerksamkeit schenkte. Das Schauspiel war wirklich bemerkenswert.

Nach mehrmaliger ergebener Fürbitte durch Herrn M schenkte er auch unseren Frachtpapieren einen Blick, schrieb einige Kommentare mit rotem Kugelschreiber, wie die Kaiser im Mittelalter auf die diversen Blätter der Frachtpapiere und schon waren wir wieder unterwegs zu weiteren zahlreichen Büros und Herrn, die offensichtlich sehr wichtig waren und von denen jeder sich mit ein paar Zeilen in arabischer Schrift auf den Zollpapieren verewigte. Nach zwei Stunden holten dann endlich zwei Araber, die für die harte Arbeit des Kistenschleppens zuständig waren, unsere Kisten.

Nun begann die Suche nach dem zuständigen Zollbeamten, der die Kisten in Augenschein nehmen sollte. Der war nach einiger Zeit auch gefunden: Beim Teetrinken. Nun wurde jede Kiste geöffnet, vollständig entleert, der Inhalt begutachtet und wieder ohne Sorgfalt in die Kisten geworfen. Dabei wurde meine mühselig erstellte Inhaltsliste völlig ignoriert.

Bewegung kam in das Prozedere, als der Zöllner merkte, dass ich einen Flachbett-Scanner und einen Multifunktions-Laserdrucker (Das ist ein Ding, das faxen, scannen und drucken kann) dabei hatte. Nach längerer Rückfrage bei Herrn M erfuhr ich den Grund der Aufregung: Scanner aller Art und Farbdrucker können zum Geldscheindrucken verwendet werden und sind deshalb registrierungspflichtig. Das ist höchst problematisch, erfuhr ich auf der Fahrt zum Zoll, aber es ist nun nicht mehr zu ändern. Kurzum, alles zureden und diskutieren half nichts, die Geräte müssen von diversen Polizeiämtern genehmigt werden. Also verschwanden meine Kisten wieder in den unergründlichen Tiefen der Zollhalle und wir zogen unverrichteter Dinge ohne Kisten wieder ab.

Die Rückfahrt dauerte noch etwas länger, da am frühen Nachmittag der Verkehr in Kairo deutlich dichter ist. Herr M machte sich noch am selben Nachmittag auf den Weg und konnte zwei der nötigen drei Genehmigungen bereits am selben Tag erhalten.

Heute morgen machten wir uns zum zweiten Mal auf den Weg zum Frachtflughafen: Der Verkehr war heute etwas geringer und so dauerte die Fahrt nur eine Stunde. Zuerst kümmerte sich Herr M um die dritte Genehmigung. Ich trabe wieder, seine Tasche tragend, hinterher, ohne das Prozedere auch nur im Ansatz zu durchschauen. Nach einer weiteren Stunde hatten wir auch dieses Papier in der Tasche. Zurück in der Zollhalle, nach der Sicherheitskontrolle mit der piepsenden Personenschleuse, um die sich keiner kümmert, standen wir ein weiteres Mal beim gottgleichen Zöllner um die Gunst seiner Aufmerksamkeit an. Diese gewährte er uns bereits nach einer Viertelstunde, vermerkte mit rotem Kugelschreiber weitere Kommentare auf den Zollpapieren und diese Hürde war geschafft. Das Bezahlen des Zolls und der Bearbeitungsgebühren war eine neue Odyssee durch 8 Büros und Schalter. Ich habe mitgezählt. Dann endlich, hamdulilla, wurden uns die zwanzig Kisten ausgehändigt.

Das Einladen der Kisten in unseren Unimog verlief typisch hektisch, wie in Arabien üblich. Ich konnte nicht mehr mitzählen, ob wirklich zwanzig Kisten eingeladen wurden. Ich beschloss, dem Zoll zu vertrauen und wir machten uns auf den Heimweg. Der dauerte bemerkenswerterweise nur eine Stunde. Das ist rekordverdächtig in Kairo. Zuhause war großes Hallo, als ich mit den Kisten ankam. So ähnlich wie Ostern und Weihnachten zusammen. Die Wohnung verwandelte sich in kurzer Zeit in ein Schlachtfeld von geöffneten und ausgeräumten Kisten. Es dauerte drei Tage, bis eine gewisse Grundordnung im Haus wieder hergestellt war.

Von ein paar persönlichen Dingen abgesehen, hat sich diese Aktion nicht gelohnt. 90% hätten wir in Kairo für weniger Geld kaufen können, als diese Luftfrachtaktion gekostet hat. Die 10% Persönliches hätten in das normale Fluggepäck gepasst. So lernt man täglich dazu. Die Erfahrung auch dieses Wahnsinns ist natürlich nicht mit Gold aufzuwiegen.

Meine Reise nach Deutschland hat in jedem Fall meine Sicht auf Kairo verändert. Teils wegen des Kontrastes beider Kulturen, teils wegen der Einsicht, dass wir ein paar Jahre Kairo aushalten müssen, ob wir wollen oder nicht. Vielen Umständen muss man sich hier einfach beugen und mit Gelassenheit die Dinge entwickeln lassen. Diese Haltung ist schon in Deutschland hilfreich, in Kairo ist sie überlebensnotwendig. Die wirtschaftliche Wertschöpfung an Lebensqualität ist in Deutschland bei zwei verdienenden Eltern in jedem Fall größer als in Kairo. Nur gibt es hier Arbeit, im Gegensatz zu Deutschland.

Die emotionale Wertschöpfung ist ganz gewiss in Kairo größer. Das setzt allerdings das Beherrschen der arabischen Sprache voraus und das wird noch eine Weile dauern, fürchte ich. Kairo ist ein Moloch, dreckig, laut und anstrengend. Wie schon erwähnt, komme ich zu meinem Erstaunen mental damit nach drei Monaten besser klar, als mit dem deutschen Wehklagen und der Unbeweglichkeit des Denkens. Vielleicht kann ich mich auch irgend wann mental gegen den Lärm und den Stress der Stadt schützen. Bleiben wird die schlechte Luft, der Dreck und das Chaos auf den Straßen ... 


© 2008-2009 Franz Murr