Mittwoch, 10. September 2008: Kultur-Depression oder Integration?

Wir unschwer zu lesen war, hat uns die letzten Tage so eine Art Kultur-Depression erfasst. Das ist normal, habe ich mir heute erklären lassen. Ich für meinen Teil habe mich gestern wieder aufgerappelt und den Frust abgeschüttelt. Wir haben uns viel zu sehr auf fremde Hilfe verlassen und zu viel Frust dadurch erlebt. Das ist nun vorbei und wir nehmen unser Geschick wieder selbst in die Hand. Des weiteren muss ich mit sehr viel mehr Gelassenheit an die Dinge heran gehen. Wie alle, die mich kennen wissen, ist Geduld meine Kernkompetenz. Wehe es lacht jetzt einer ...

Und kaum hat man ein schlechtes Karma abgeschüttelt, geht es auch schon wieder aufwärts: So wie es aussieht, bekomme ich an der DEO einen Job als freier Mitarbeiter projektorientiert im Rahmen des Schulnetzwerkes. Ich berichte genauer, wenn es spruchreif ist.

Die Große und die Integration: Rosi zu Hause ...Nun will ich mal etwas über die Kinder berichten. Als Kairo in Planung war, haben vor allem die Jüngeren, Leo und Anni nicht so richtig mitgezogen. Vor allem Anni wollte unbedingt in München bleiben. Das Blatt hat sich gewendet: Erstaunlicherweise sind die Kinder von Kairo begeistert und möchten viele Jahre bleiben. Die, die vorher am meisten gemeckert haben, finden es jetzt am Tollsten. Das bezieht sich natürlich hauptsächlich auf die Schule. Mit der sozialen Integration haben Leo und Anni weniger Probleme als in ihren alten Klassen in München.

Durch unsere Nähe zum Problemstadtteil Neuperlach in München war der Ausländeranteil an der Grundschule und im Gymnasium überproportional hoch. In Leo´s Klasse waren die deutschen Kinder eine kleine Minderheit. Das führte in München zur Ausgrenzung mit allen Folgeproblemen bei der Sozialisation. Das scheint hier an der DEO in Kairo ganz anders zu laufen. Beide Kinder haben nach einer Woche Schule schon viele Freundschaften geschlossen. In dieser Hinsicht sind die arabischen Kinder deutlich aufgeschlossener.

Eher gegenteilig verhält es sich bei meiner Ältesten. In ihren letzten Klassen am Gymnasium hatte sie einen ebenso hohen Ausländeranteil, aber im Gegenteil zu den Jüngeren eine sehr gute, gewachsene Klassengemeinschaft. Hier in Kairo tut sich Rosi sehr schwer, Anschluss zu finden. Wie wir inzwischen heraus gefunden haben, ist die Erfahrung der älteren arabischen Kinder an der DEO, dass die deutschen Kinder arrogant und überheblich sind. Mit diesem Erfahrungsschatz begegneten sie Rosi mit großer Distanz. Da Rosi aber nicht so drauf ist und gerne bei den arabischen Mädels integriert wäre, ging es ihr die letzte Woche nicht gut. Seit zwei Tagen ist sie nach meiner Einschätzung deswegen psychosomatisch krank.

Ich habe, Allah verzeihe mir, am Elternabend etwas nachgeholfen und den versammelten Eltern erklärt, wie Rosi die Araber sieht und ihre Integrationsbereitschaft erklärt. Die Zeit wird zeigen, wie sich die Sache entwickelt. Glücklich ist die ganze Familie, das Anni wieder Spaß an der Schule hat, nachdem sie wegen einer wirklich schlimmen Lehrerin in der Grundschule in München eine völlige Lernverweigerin geworden ist. Hamdulillah! Das war auch einer der Gründe für die Entscheidung Kairo ...

Samstag, 13. September 2008: Kindergeburtstag im Wadi

Heute war die Anni zu einem Kindergeburtstag einer deutschen Klassenkameradin eingeladen. Das Event sollte mit Grillen im Wadi Degla statt finden. Das Wadi Degla ist ein echtes Wadi östlich vom Stadtteil Maadi. An der auslaufenden Seite ist es mit einer Mauer vollständig verschlossen.

Kindergeburtstag im Wadi Degla ...Man kann dann etliche Kilometer auf einer miserablen Piste in das Wadi fahren, das dann irgendwann endet. Qasi Wüste light für den Kairo-Ausflügler. Man zahlt EL 5,- Eintritt und bekommt dafür das Wadi einigermaßen müllfrei geboten.

Des Beste am Großwerden der Kinder ist der Wegfall von Kindergeburtstagen ...

Sonntag, 14. September 2008: Einkauf im Super-Dupermarkt Carrefour ...

Hier in Kairo gibt es zwei der Super-Dupermärkte Carrefour: Das sind Mega-Einkaufszentren von beeindruckender Größe. Dabei handelt es sich um unzählige Boutiquen und den Großmarkt Carrefour. Das ist so etwas wie Aldi und Tengelmann in Einem. Einen gibt es an der Desert Road, das ist die Straße von Alexandria nach Kairo und einen im Stadtteil Maadi, im Süden von Kairo.

Den ersten dieser beiden Megastores an der Desert Road besuchten wir vor zwei Wochen, klugerweise am Nachmittag vor dem Beginn des Ramadan. Wir erhofften uns die riesige Auswahl an leckeren Lebensmitteln und etwas Mobiliar. Die Kinder brauchen Arbeitstische und Stühle.

Die Hinfahrt gestaltete sich normal mit dem üblichen Chaos um die Nachmittagszeit. Über die Pyramid Road und die Desert Road etwa 30 km stadtauswärts. Die erste Hürde hatten wir in Form einer Querlatte über der Parkplatzeinfahrt auf Höhe 2,5 m. Mit dem Unimog und seinen 2,9 m Höhe kein Durchkommen. So umkreisten wir den Carrefour solange, bis wir einen Stellplatz in der Nähe fanden. Der erschien mir aber keineswegs sicher, also erklärte sich Rosi bereit, im Auto zu warten. Petra, meine Wenigkeit und der Rest der Brut machen sich auf in die Konsumhölle. Nach dem Durchschreiten des Eingangsportals empfing uns eisige Kälte. Das Teil ist extrem klimatisiert. Ich schätze auf 20°C. Das ist hart bei 39°C Außentemperatur ...

Nach ein wenig Herumirren zwischen den Boutiquen fanden wir die schier endlose Reihe der Kassen des Carrefour-Marktes. Erfreulicherweise braucht man für den Einkaufswagen keinen Euro oder eine Marke, die ich in Deutschland natürlich nie parat habe. So begaben wir uns voller Erwartung mit unserem etwas rollenlahmen Einkaufswagen in die Konsumhallen. Zuerst stießen wir auf die Elektroabteilung. Dort gibt es neben einer unglaublich großen Auswahl an Fernsehern auch zahlreiche Waschmaschinen, alle erdenklichen Elektro-Kleingeräte und die Computerecke. Spülmaschinen sind rar. Es gab gerade mal zwei zur Auswahl. Die Computerregale sind mäßig bestückt in der Auswahl, aber vom Preisniveau etwa wie in D.

Dann ging es weiter zu den Lebensmitteln: Die schiere Menge der Lebensmittelregale und der Waren darin ist erdrückend. Ich stehe dort völlig überfordert mit meinem Wagen davor und weiß nicht, wo ich zu suchen anfangen soll. Bei genauerer Betrachtung ist die Auswahl aber gar nicht groß: Es steht nur unglaublich viel Ware in den Regalen. Eine ägyptische Besonderheit ist, die verstellbaren Regalböden im Abstand so zu wählen, dass die Safttüte oder die Kartoffelbreipackung gerade saugend rein geht, aber nur noch mit Gewalt wieder heraus zu nehmen ist. Das ist wirklich in allen Läden zu beobachten.

In die Kleiderabteilung haben wir uns an diesem Nachmittag nicht mehr getraut. Dort wuselten jede Menge Araberinnen mit ihrer landestypischen Drängelei und Rücksichtslosigkeit mit lautem Gezeter durch die Gänge, die vollgepackt sind mit Hosen, Hemden, Kleidern und was es sonst noch alles an Textilien gibt. Absolut nervenzermürbend war eine viel zu laute Hintergrundmusik abseits unseres Harmonieverständnisses. Ich nehme mal an, das soll verkaufsfördernd wirken. Das ging bei mir nach hinten los ...

Wir waren nach einer Stunde fix und fertig und verließen den Carrefour fluchtartig, ohne unsere Einkaufsliste fertig abgearbeitet zu haben. Mit Pommes und Cola von McDonald stellten wir unser Wohlbefinden wieder leidlich her.

Kulinarische Highlights bei den Murr’s ...Zurück probierten wir die neue Shari 26th July aus. Das ist eine 8spurige Tangente von der Desert Road auf der Höhe des Carrefour in das Zentrum von Kairo. Diese 25 km legten wir mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 9 km/h zurück. Wenigstens war das Gedrängel durch den autobahnähnlichen Charakter der Straße erträglich ...

Zweiter Versuch ...

Unser europäischer Sonntag ist hier in Kairo ein ganz normaler Arbeitstag. So beschlossen wir heute nach der Schule, den zweiten Carrefour im Stadtteil Maadi auszuprobieren. Den haben wir gestern zufällig gefunden, als wir uns wieder mal bei der Heimfahrt aus dem Wadi Degla gnadenlos verfahren hatten.

Auch hier machten wir im Wesentlichen die gleichen Erfahrungen wie im Carrefour an der Desert Road. Die Hintergrundmusik war hier noch etwas lauter. Auf den Parkplatz kamen wir hier nicht, weil die offene Stellfläche nur über einen überdachten Parkraum von 2,3 m Höhe zu erreichen ist. Wir parkten einfach auf dem Taxistellplatz. Nach einiger Diskussion war das auch in Ordnung.

Es fällt uns auf, dass das Warenangebot an Lebensmitteln und Gemüse für europäische Gaumen eher spärlich ist. Vor allem an Gemüse: In der kleinsten Oase in Algerien ist die Auswahl größer. Es gibt Kartoffeln, Zwiebeln, Gurken, Tomaten und manchmal Karotten. Das war´s dann schon.

Wir haben Mühe, eine abwechslungsreiche Ernährung hin zu kriegen. Es fehlt auch die Zeit, uns mit dem Kochen zu beschäftigen. Aber die Zeit und ihr Verrinnen in Kairo ist eine extra Geschichte. Die absoluten Highlights bei den Murr´s: Philadelphia Frischkäse, Juhayna Rayeb - das ist ein Joghurtgetränk -, getrocknete Aprikosen und alkoholfreies Becks Bier ...

Mittwoch, 17. September 2008: Beobachtungen an der Baustelle gegenüber

Auf dem gegenüber liegenden Grundstück wird ein Haus gebaut. Das hat mich zuerst beim Einzug beunruhigt, wegen der zu erwartenden Lärmentwicklung. Jetzt, nachdem wir über zwei Wochen hier leben, habe ich etwas Einblick bekommen, wie das hier so läuft. Natürlich weiß ich nichts über den Bauherrn, dessen finanzielle Möglichkeiten und sein Ansinnen, was er da hin bauen will.

Den Werdegang zu beobachten, ist allemal spannend: Als wir einzogen, war das, was da vorher gestanden hatte, bereits entfernt. Also ein nacktes Stück Erde mit einem Bauzaun aus altem Wellblech. Zuerst wurden zwei schöne alte Baume gefällt, die das Grundstück säumten. Solche Bäume gibt es in jeder kleinen Straße in Kairo. Sie spenden Schatten und machen das Straßenbild etwas freundlicher. Und hindern manchmal den Unimog, einen Parkplatz zu nutzen.

Die Bäume wurden in reiner Handarbeit entastet und umgehauen. Erst zum Zerlegen der Stämme rückte man mit einer Motorsäge an. Da die Fällaktion in den Ramadan fiel, wo das Leben hauptsächlich am Abend stattfindet, nervte die Motorsäge zwei Abende von etwa 20:00 bis 24:00 Uhr.

Dreibein als Bohrturm ...

... und Einsatz reiner Muskelkraft ...

Seit einer Woche setzt ein Team von fünf Arbeitern die Fundamentpfeiler: Dazu werden tiefe Löcher in den Boden gebohrt. Etwa 50cm im Durchmesser und 6-8 m tief. Diese Löcher werden dann mit Stahlarmierung und Beton gefüllt. Das Bemerkenswerte an dieser Aktion ist die reine Handarbeit. Das Bohren passiert im Prinzip wie bei uns, nur kommt hier reine Muskelkraft zum Einsatz. Einziges Hilfsmittel ist ein Dreibein als Bohrturm und eine Handwinde zum Ausfahren und Einsetzen der Bohrkrone und der Verlängerungsrohre. Die Arbeiter, es schaut so aus, als ob es Fellachen wären, sind ein perfekt eingespieltes Team, Es sitzt jeder Handgriff. Beim Drehen der Bohrkrone stimmen sie einen rhythmischen Gesang an, der selbst auf mich seine Wirkung nicht verfehlt. Manchmal höre ich zu und spüre körperlich die Magie des Gesangs und gehe im Geist die Bewegungen der Arbeiter mit. Sehr beeindruckend, das Ganze. Ich habe leider keinen Tonträger zum Aufnehmen. Vielleicht schaffe ich das noch.

Auch der Beton wird mit Hand gemischt. Das kenne ich auch noch aus meiner Kindheit. Auf ein Blech 2x1 m wird ein länglicher Berg aus Sand geschaufelt. Oben wird eine Kuhle gezogen und mit Zement gefüllt. Dann durchmischen zwei Mann unter Zugabe von Wasser mit zwei Schaufeln von links und rechts synchron den Sand-Zementberg der Länge nach so lange, bis die Mischung fertig ist.

Sonntag, 21. September 2008: Kommunikation und Kontakte

Mal wieder ein paar Zeilen zur Lage der Nation, … äh Familie. Der GAU mit dem Geldautomaten hat sich gottlob geklärt: Die Visacard unserer DKB-Bank ist ein Extra-Konto, das aufgeladen werden muss. Das haben wir nicht überlauert. Der arme Automat war also unschuldig und gab wegen mangelnder Deckung keine Pfunde her. Er tat also nur seine Pflicht. Ich habe ihm gestern Abbitte geleistet und zur Wiedergutmachung 3.000,- LE abgehoben. Er dankte es mir mit korrekter Auszahlung.

Taxifahrt in Kairo ...In den letzten zwei Wochen haben wir auch sehr gute Hilfe von einigen Kollegen und Familien erhalten. So ließ sich Einiges erledigen und besorgen. Wir haben nun Arbeitstische und vernünftige Bürostühle zum Arbeiten und Hausaufgaben machen.

Seit gestern sind wir im Besitz eines Staubsaugers aus ägyptischer Produktion für LE 230,-, das sind etwa Euro 33,-. Bis jetzt sieht er aus wie ein normaler Staubsauger und er saugt auch. Vielleicht wird´s ein Geist aus dem Staubsauger. So einen Djinn, der uns zu Diensten ist, könnten wir gut gebrauchen ...

Unsere fünf Bürostühle kauften wir mit home delivery für zusammen LE 1.000,- Da kann man auch nicht meckern.

Es ergeben sich auch langsam Kontakte zu Deutschen außerhalb der Schule, was ich sehr begrüße. Da tun sich einige technische Möglichkeiten auf. In Sachen Arbeit für mich sind zwei Eisen im Feuer, die hoffentlich zu einer Anstellung führen. Noch ist nichts entschieden.

Ein bisschen enttäuscht bin ich darüber, dass sich eher wenige Kontakte an der Schule entwickeln. Das liegt wahrscheinlich daran, dass wir keine extrovertierten Leute sind, die sich ohne Hemmungen einbringen und locker auf andere zugehen. Die Schwierigkeiten des Einlebens mit drei Kindern tun ein Übriges. Da hätte ich mir etwas mehr Interesse der Leute gewünscht, was uns die Kontaktaufnahme erleichtert hätte. Wie gesagt, wir sind eben nicht die super Kontakteknüpfer. Vielleicht haben wir auch einige verärgert mit meinen Berichten. Die Murr´s haben eben Ecken und Kanten, sind aber aufrichtig in dem, was sie von sich geben.

Vor ca. 10 Tagen gab es ein Fest auf dem Gelände der evangelischen Gemeinde. Das sollte unter anderem die Kontaktaufnahme für die Neuankömmlinge erleichtern. Da trafen wir auf eine Menge uns fremder Leute, die in vielen Grüppchen zusammen saßen und standen und sehr mit sich beschäftigt waren. Man pflegte die bestehenden Kontakte und den Magen am Buffet. Wir kamen uns dort ziemlich verlassen vor. Letztendlich beschränkten sich unsere Gespräche auf die Leute, die wir schon kannten. Das Buffet war auch schon weitgehend leer gegessen, als wir ankamen. Wir kamen natürlich wieder zu spät, weil die Parkplatzsuche ein größeres Unterfangen war, als wir dachten. Es werden sich im Lauf der Zeit die qualitativ hochwertigen Kontakte einstellen. Wir sind gerade mal drei Wochen im Land ...

Nachbars Katze ...Das Spannende am Verfahren in Kairo ist, dass man vor allem nachts in Gegenden kommt, die man gar nicht aufsuchen wollte. So erweitert sich der innere Stadtplan zusehends, wenn auch gelegentlich unfreiwillig. Wobei öfter heftige Diskussionen in der Familie ausbrechen, welcher Abzweig nun der Richtige ist. Das ist dann für den Fahrer im Kairoer Stadtverkehr ausgesprochen hilfreich. Ich kann nämlich selten warten, bis die Diskussion zu einem Konsens geführt hat, ohne dass das Hupkonzert hinter mir jede Kommunikation verhindert.

Ohne unseren digitalisierten Stadtplan, der uns auf dem Bildschirm unseres Navigationsrechners wenigstens zeigt, wo sich der Unimog gerade bewegt, wäre es noch viel schlimmer. Einen guten Stadtplan, der auch über das reine Zentrum hinaus geht und vor allem aktuell ist, haben wir noch nicht gefunden. Der Plan von Freytag & Berndt ist bisher der Beste, zeigt aber nur das Zentrum und viele Straßennamen fehlen oder sind falsch.

Langsam haben wir kapiert, wie im Ramadan die Öffnungszeiten der Geschäfte sind. Etwa 12:00 bis 16:00 Uhr und dann wieder 20:00 bis 24:00 Uhr. Es klingeln die Leute auch ungeniert bis nach Mitternacht an der Wohnungstür. Dass wir auch im Ramadan um 6:00 Uhr aufstehen müssen, versteht keiner.

Wir sind nun in der zweiten Hälfte des Ramadan und die Aggression unter den Arabern im Straßenverkehr nimmt spürbar zu. Besonders kurz vor dem Fastenbrechen, dem Iftar um ca. 18:00 Uhr. Da hätte mich gestern beim Überqueren der Straße beinahe ein Taxi sehenden Auges umgefahren, wenn ich mich nicht mit einem herzhaften Hüftschwung aus der Gefahrenzone gebracht hätte. Ich hoffe, mein erzürnter Schlag auf seinen Kofferraumdeckel hat eine ordentliche Beule hinterlassen.

Jede Dienstleistung wird zum fortgeschrittenen Nachmittag nur noch mit größtem Unmut ausgeführt. So warten wir immer noch auf unseren DSL-Anschluss. Heute Abend wollte, zum wiederholten Male, ein Herr von LINKdotNET vorbei kommen und den Router und das DSL-Modem bringen. Es ist jetzt 22:00 Uhr und ich glaube nicht mehr daran. Auch Internet-Gebühren werden drei Monate im voraus bezahlt. Dazu kommt ein Herr der entsprechenden Gesellschaft an die Haustür und kassiert nur in bar. Auch hier ist ein bargeldloser Zahlungsverkehr nicht möglich. Das wirft kein gutes Licht auf das ägyptische Bankwesen ...

Ärgerlicherweise haben wir die Hardware und die Gebühren für drei Monate schon bezahlt. Sonst würde ich den Anbieter wechseln. Der Einwahlzugang über Modem ist so langsam, dass mir die Bank schon zweimal den Login geschlossen hat, weil beim Datenschaufeln zu viel Zeit verging. So sitze ich nach wie vor in der Veranda und nutze für nicht sicherheitsrelevante Internetseiten und Mails den offenen WLAN eines freundlichen Nachbarn. Den kann ich nur in der Veranda empfangen und er ist leidlich nutzbar mit etwa 2000 kB Download. Am vergangen Freitag hatte der Lümmel doch frecherweise sein WLAN ausgeschaltet!

Fundsache am Nachbarhaus ...Seit drei Tagen habe ich nun endlich das Skype in Betrieb genommen: Das war mit Irrungen und Wirrungen verbunden, weil ich die Software in D auf den Rechner installiert hatte, das Skype aber von Ägypten aus nutze. Da mussten die Herrn vom Support erst an ein paar Knöpfen drehen, bis ich nach D in das Festnetz wählen konnte. Das klappt nun reibungslos und ich werde gerade zum Chatter mit Skype. Meine Kinder sind begeistert. Endlich chattet der Alte auch! Da das Internet zur Zeit nur auf einem Rechner nutzbar ist, nämlich meinem, muss ich diesen mit Klauen und Zähnen verteidigen. Hier ist der echte Kampf um die Ressource ausgebrochen!

Unser Wecker ist synchronisiert über die 50 Hz Netzfrequenz. Der ging deshalb in der Vergangenheit immer sehr genau. Als wir ihn in Kairo in Betrieb genommen haben, ging er erst 5 Minuten am Tag nach, dann verbesserte sich das Ergebnis auf 10 Minuten in der Woche. Heute habe ich mal die Frequenz des Stromnetzes gemessen: Das schwankt zwischen 49,1 bis 50,2 Hz. Sehr bemerkenswert ...

Es ist jetzt 23:30 Uhr und hamdulillah, das DSL läuft! Um 22:15 Uhr klingelte der Sohn des Hausbesitzers mit einem WLAN Router/Modem/Splitter unter dem Arm und setzte sich erst auf einen unserer zahlreichen Sessel und dann mit einem freundlichen Herrn mit grausigem Englisch von LINKdotNET über Handy in Verbindung. Mit seiner Hilfe installierten wir fernmündlich das all-in-one-Kästlein. Das Prozedere war schon abenteuerlich und hatte nichts mit einer Installation bei uns zuhause gemein. So viel schräge IP-Adressen habe ich noch nie getippt. Das muss an den besonderen Verhältnissen der Telecommunikation in Ägypten liegen. Kurzum, um 22:45 Uhr klappte das Internet schließlich. Eine Viertelstunde brauchte ich noch, um das WLAN außer Betrieb zu nehmen und den Drucker auf die neue IP-Adresse umzustellen und nun funzt der Laden. Wie immer in Arabien gibt es auch hier ein Wermutströpflein: Das DSL arbeitet nur mit 512 kB / 125 kB und nicht wie bestellt mit 2000 kB / 500 kB. Da ist also noch ein Gang zur Gesellschaft nötig.

Allah´s Wille ist unergründlich ...  


© 2008-2009 Franz Murr