Montag, 18. August 2008: Strand Ras Raid, Libyen
Wir sind nun 150 km vor der ägyptischen Grenze und haben 1500 km Libyen hinter uns.
In Zuara angekommen merkten wir bald, dass Herr Kalefa von Medusa-Tours außer Landes war. Sein Stellvertreter regelte alle Abläufe, die zum Transit nötig waren. Es gab noch einige Missverständnisse zu klären, da die Vorinformationen nur Herr Kalefa hatte. Während der Wartezeit, deren Grund uns verborgen blieb, gingen wir im nahe gelegenen türkischen Restaurant essen ...
Unser erster Eindruck von den Libyern war sehr positiv: Die Menschen sind zurückhaltend und haben meist eine angenehme Art bei Kontakten. Anders der Verkehr: Es wird außerhalb aller Regeln gefahren, und das mit sehr hoher Geschwindigkeit. Das erfordert hohe Konzentration und ist auf die Dauer sehr anstrengend.
Nachmittags um 16:00 Uhr waren alle Unklarheiten ausgeräumt, die Führerfrage geklärt und ein Fahrer mit Auto bestellt. Wir nächtigten wegen der fortgeschrittenen Stunde am Strand von Zuara und fuhren erst am Morgen dort los. Die Nacht war etwas unruhig wegen der Stadtnähe. Wir schliefen leidlich gut.
Am Morgen schafften wir die Abfahrt um 9:30 Uhr. Bei unserem Führer war noch der Fahrer des Vito und ein anderer Libyer dabei. Alle drei waren Ok und wir verstanden uns gut. Der Verkehr ab Zuara an Tripolis vorbei war heftig und äußerst anstrengend. Wir schafften trotzdem unser Pensum von 500 km und ich war abends entsprechen erledigt. Unser Guide fand vor Bureaut al Husn einen sehr schönen Platz am Strand. Der war, so weit das Auge reichte, menschenleer und mit wenig Müll verschandelt ...
Am Morgen waren Mama und ich sehr unfit. Um die Mittagszeit konnte ich mich nur mit Mühe wach halten. Nachmittags ging es dann wieder. Das Fahren im Konvoi ging eigentlich ganz gut. Dass ein Unimog wegen der geringen Motorleistung vom Schwung lebt, konnte ich allerdings nicht vermitteln und so bremste mich der Vito öfter mal aus. Auch empfand ich einige Überholmanöver unnötig riskant, aber das ist in Libyen ganz normal ...
Im Vergleich zu Tunesien liegt in Libyen sehr viel Müll in der Landschaft. Während sich in Tunesien langsam ein Umweltbewusstsein etabliert, fehlt so etwas in Libyen noch vollständig. Jeder lässt seinen Müll einfach fallen.
Nach Tripolis entspannte sich die Verkehrsdichte, dafür nahmen um Sirte die Kontrollen deutlich zu. Das liegt daran, dass Sirte die Heimatstadt Gaddafi´s ist. Alles in allem ist es sehr angenehm, sich bei den zahlreichen Kontrollen zurück zu lehnen und abzuwarten, bis der Guide alles geregelt hat.
Die Straße nach Tobruk ist in einem guten Zustand, kerzengerade und mit wenig Verkehr. Ausnahmsweise auch mal mit Rückenwind. Unser Unimi ist auf dieser Reise wegen der zusätzlichen Kisten auf dem Dach besonders windempfindlich: Bei starkem Gegenwind oder Wind von der Seite muss ich Vollgas fahren und komme nicht über die 80 km/h hinaus. Dabei verfeuere ich dann schon 25 Liter auf 100 km.
Einen versteckten Nachtplatz auf der Straße nach Tobruk zu finden erwies sich als unmöglich: Die Wüste ist topfeben und mit wenig Gesträuch bewachsen. Wir entschlossen uns, einfach 500 Meter abseits der Straße zu nächtigen. Das war auch vom Gefahrengefühl in Ordnung. Bei allen Nachtplätzen in Libyen hatte ich den Eindruck, wirklich sicher zu stehen. Die Gefahr, überfallen zu werden, schätze ich als sehr gering ein. In dieser Nacht schliefen wir alle blendend und waren morgens gut erholt ...
Da wir gut in der Zeit waren, ließen wir es morgens gemütlicher angehen und brachen um 10:30 Uhr auf, als es unangenehm heiß wurde. Die Straße war zwar gut zu fahren und Rückenwind hatten wir auch, aber fünf Stunden monoton geradeaus geht auch auf die Konzentration. So war ich froh, als wir in Tobruk ankamen. Wir fuhren an den Stadtrand, um Brot und Gemüse einzukaufen. Tobruk ist eine sehr große Stadt und schön gelegen an einer Felsenküste.
Der heutige Nachtplatz musste kurz hinter Tobruk sein, da sich die Küstenstraße danach schnell vom Meer entfernt. Nach einigen vergeblichen Versuchen, das Meer zu erreichen, fanden wir einen erschlossenen, abgezäunten Strand für die arabischen Familien. Eine Übernachtung sollte 5 Dinar kosten. Wir werden morgen sehen, ob das stimmt ...
Abends kam noch ein Anruf vom Medusa-Büro: Der Vertreter von wollte nun Euro 95,- mehr, weil wir erst Mittwoch früh ausreisen. Das ist gegen die Vereinbarung, die wir in Zoura geschlossen hatten. Wir sind mit Medusa nicht zufrieden: Zuerst standen wir über zwei Stunden an der libyschen Grenze und von Medusa war keine Spur. Dann wusste der Vertreter von Herrn Kalefa nichts von den Vereinbarungen, die mit Herrn Kalefa getroffen waren.
Der Preis, den wir bezahlten, war höher, als ausgemacht. Und nun noch der Anruf vom Büro Medusa, dass wir einen Tag Führer nachbezahlen sollen. Das sind keine guten Sitten und wir werden Medusa nicht weiter empfehlen. Mit unserem Führer, dem Fahrer und dem dritten Begleiter kommen wir dagegen sehr gut aus und wir gehen freundschaftlich miteinander um. Viel Spaß haben wir auch.
Donnerstag, 21. August 2008: DEO in Dokki, Kairo
Wir stehen nun auf dem Parkplatz der DEO. Nach einer abenteuerlichen Fahrt durch den Süden von Kairo auf der vergeblichen Suche nach dem Campingplatz haben wir einen ersten Eindruck von Kairo bekommen.
Aber erst mal zurück nach Libyen: Unsere Strandanlage kam vor allem bei den Kindern sehr gut an. Die verbrachten die meiste Zeit im Meer, das wirklich sehr schön war. Die südliche Mittelmeerküste hat von Tunesien über Libyen und Ägypten traumhafte Strände, in Libyen über weite Strecken völlig unberührt von Menschenhand. Nach dem unerfreulichen Telefonat mit Medusa-Tours beschlossen wir, noch am 19. August aus Libyen auszureisen und die Nacht eventuell im Niemandsland zu verbringen. Damit ging die Forderung von Medusa-Tours, den Ausreisetag am 20. August noch zu berechnen, ins Leere.
Wir machten uns also mittags auf den Weg, die 150 km zur Grenze hinter uns zu bringen. Am frühen Nachmittag erreichten wir die Grenze. Die libysche Grenzstation machte einen sehr heruntergekommenen Eindruck: Halb zerfallene Häuser und Wellblechhütten dominierten das Bild.
Unser Führer Jsar warf sich mit unseren Pässen bewaffnet in das völlig chaotische Getümmel aus libyschen Grenzgängern, wild fuchtelnden Polizisten und selbsternannten Ordnungshütern. Ich trabte hinterher, um unsere Pässe nicht ganz aus den Augen zu verlieren. War der polizeiliche Ausreisestempel nach zwei Schaltern erledigt, begann eine Odyssee von Schalter zu Zöllner und wieder zurück, bis die Fahrzeugausreise erledigt war.
Nach einer guten Stunde war Libyen geschafft: Die Ägypter haben in letzter Zeit ihre Grenzstadion direkt im Anschluss an die libysche Grenzstation gebaut. Das in allen Karten verzeichnete Niemandsland existiert nicht mehr. So standen wir unversehens vor dem Einreisegebäude der ägyptischen Grenze. Ein freundlicher Polizist geleitete uns in das Gebäude und händigte und fünf Fiche aus zum Ausfüllen.
Unmittelbar darauf nahm ein dickerer Herr vom Zoll uns unter seine Fittiche. Nach der unvermeidlichen Frage nach dem Carnet de Passage erzählte Petra ihm unsere Geschichte und dass uns ein Repräsentant der DEO morgen abholen und die Formalitäten erledigen würde. Also übernachteten wir an der Zollstation. Das war anfänglich ganz interessant, da wir das Schmuggeln von allerlei Tragbarem beobachten konnten. Aus dem Schlaf wurde dann aber kaum etwas, da ein ständiger Strom von Libyern, die über die ganze Nacht nach Ägypten einreisten, zuviel Lärm machte.
Morgens um 8:00 Uhr weckte uns der Herr von der DEO: Wir hatten vergessen, dass 9:00 Uhr in Ägypten eine Stunde früher ist. Nach dem wir uns hektisch angezogen haben, begann das Prozedere der Fahrzeugzulassung.
Der Unimog wurde unbürokratisch für Kairo auf Petra umgeschrieben, da nur sie als Besitzer eines Arbeits-Visums ein Fahrzeug zollfrei für die Dauer ihrer Beschäftigung einführen darf. Der Herr von der DEO verschwand häufig für längere Zeit in diversen Büros und tauchte immer wieder mit verschiedenen Herrn vom Zoll auf, um eine der zahlreichen Detailfragen um die Zulassung zu klären. Von elementarer Bedeutung war die Motornummer, wie viel Gänge der Unimog hat, ob Klimaanlagen verbaut sind und ob das Autoradio DVD´s abspielen kann. Dass wir GPS, Satellitentelefon, drei Rechner, eine Netzwerk-Infrastruktur und einen Farblaserdrucker dabei hatten, war ohne Belang.
So gingen 8 Stunden ins Land zwischen Warten und hektischem Beantworten diverser Detailfragen. Dabei stand der Unimog natürlich in der prallen Sonne. Als dann um 17:00 Uhr das Prozedere endlich vorbei war und die ägyptischen Nummernschilder montiert waren, zeigte sich die Familie schon etwas entnervt.
Wir suchten einen Nachtplatz: An das Meer zu kommen, verhinderte meist das Bahngleis. Eine palmengesäumte Allee führte zu einer Art Touristenzentrum. Wir fuhren einfach mal frech rein und nach einem langen Telefonat des Pförtners kam ein Pickup, der uns auf dem ausgedehnten Gelände zum Patron geleitete. Der erklärte uns, dass es sich hier um eine Ferienanlage für betuchte Ägypter handelt. Nachdem er uns die Übernachtungspreise erklärt hatte, fragten wir noch kleinlaut, ob wir wenigstens im Restaurant essen könnten. Das war kein Problem. Der Ägypter an der Rezeption war dann auch wirklich nett und die Kids durften bis zum Essen in den Pool. Wir stellten uns nach dem Essen an den etwas abseits gelegenen Strand und hatten eine ruhige Nacht ...
Wieder auf der Straße nach Alexandria, spulten wir die 400 km bis Kairo ab. Von einigen bemerkenswerten Fahrmanövern unserer Mitstreiter auf der Desert Road verlief die Fahrt ereignislos. Je näher wir an Kairo kamen, desto dichter wurde der Verkehr. Wir versuchten den im Reiseführer beschriebenen Campingplatz zu finden. Das bescherte uns eine Rundfahrt durch den Süden Kairos bis in die übelsten Slums. Das Rauskommen war nicht einfach gegen tausend Taxis vom Dreirad bis zum Minibus und im Wettstreit um die schmale Spur aus Erde zwischen Bergen von Müll und unglaublich vielen Menschen auf der Straße. Ich brauchte alle in 30 Jahren erworbene arabische Fahrkunst mit dem Unimog, um kein Fahrzeug zu beschädigen und niemanden anzufahren. Es war sehr anstrengend ...
Dem Getümmel entronnen, suchten wir entnervt die DEO auf, die wir schnell fanden. Nun stehen wir also auf dem Parkplatz der Schule, haben Strom und WLAN, wissen aber nicht, wie lange wir hier stehen können. Mit dem Schulbeginn wird wohl das Ende unseres Standplatzes kommen. Zur Feier unserer Ankunft habe ich mit Petra heute Abend den Rotwein getrunken, der eigentlich für Herrn Kalifa von Medusa-Tours gedacht war.
Nun suchen wir dringend eine Wohnung in Kairo und einen Platz für den Unimog. Mal sehen, wo wir landen. Inshallah, die Wege des Herrn sind unergründlich ...
© 2008-2009 Franz Murr