Schleusen, Regen, Landstraßenportage ...

Nach so einem anstrengenden Abend braucht man ein ordentliches Frühstück - Sonnenschein, kein Regen, die Ramme ist noch nicht in Gang - Platsch, mit einem heftigen Schwanzschlag verabschiedet sich ein Biber, der wohl nicht damit gerechnet hat, dass zu dieser Jahreszeit unter dem Apfelbaum noch andere frühstücken. Wieder ein Vorteil der Nachsaison ...

Heute wird ein Mulligatawny im Dutch-Oven gezaubert ... Ein Keil Kraniche am Abendhimmel  ...

9 Uhr: Nichts wie weg ...

Zisch, takk, zisch takk, takk, die Ramme legt los, es ist mittlerweile neun Uhr, nichts wie weg hier. Am linken Flussufer weisen die Warnschilder auf den ehemaligen Schießplatz hin. Es folgt die SB-Schleuse Zaaren, dann die von Schorfheide, gleich dahinter der Abzweig in die Templiner Gewässer ...

Vor dem Großen Kuhwallsee entdecken wir dicht am Fluss eine Biberburg und sehen reichlich Nagespuren. Zwischen dem Großen Kuhwallsee und dem Lankensee liegt die alte Schleuse Kannenburg: Mit ihren schrägen Seitenwänden und den alten handbetriebenen Holzschotten ist sie recht altertümlich anzusehen.

Kein Mensch da, Enno sucht den Schleusenwärter und findet ihn im nahe gelegenen Wirtshaus beim Mittagessen: "Nur die Ruhe" meint er, "wir warten noch auf ein Motorboot und ich esse erst mal fertig." Dann zeigt sich die andere Variante der SB-Schleuse, hier heißt SB nun "Selbst-Beteiligung", Enno kurbelt fleißig mit. Neun Kilometer noch bis zur neuen Schleuse in Templin, wir können noch nicht abschätzen, wo wir biwakieren, die Uferbereiche sind stark verschilft, es gibt keinen festen Boden und im Stadtgebiet ist das Ufer von Anglern gesäumt.

Dicht am Fluss eine Biberburg ... Wir warten noch auf ein Motorboot ...
An der "Guatanamo-Schleuse" ... Mit Turbogeschwindigkeit hinauf ...

Vor uns dann die gigantische neue Schleuse, wir haben Glück: Die Schleusenkammer ist unten, mit Turbogeschwindigkeit geht es die wohl 6 - 7 Meter rauf. Alles vergittert, Videokameras. Wir geben der Schleuse den Namen "Guatanamo-Schleuse". Der Hafenmeister vom Stadthafen kann uns außer einem kleinen Stellplatz auf einem Hotelhof keine Biwakmöglichkeit nennen. Die Fördergelder scheinen hier in den Ausbau von Yachthäfen geflossen zu sein - überall gelbe Welle an den Yachtanlegern. Wir entern den Strand vom städtischen Freibad, Saisonende, kein Mensch weit und breit, es fängt an zu nieseln. Rüber zum alten Gelände eines Kanuclubs, dort erwarten uns abweisende Schilder mit Strafandrohung, also was nu ..?

In der Dämmerung ziehen wir durch zum Gleuensee Campingplatz, es nieselt, es ist kalt, es wird dunkel, und: Hunger! Mit dem letzten Tageslicht erreichen wir den Platz. Das übliche Zeremoniell: Enno meldet uns an, holt Wasser, ich schlage das Tentipi auf, gleich direkt am Anlieger, bloß nicht noch lange rummachen. Heute ist Schmalhans Küchenmeister - um 20:00 Uhr gibt es Spiegeleier mit Speck aus der Muurikka. Der Campingplatzwärter kommt an und raunzt: "Sie stehen hier verkehrt!" - wohlgemerkt wir sind die einzigen Gäste - "hier ist der Badestrand, die Zeltwiese ist da ..." und er zeigt auf die gleiche Wiese nur 50 Meter weiter. Ich schlage ihm vor, das Tentipi als Rettungsstation zu deklarieren, er akzeptiert und kassiert dafür dann auch gleich 16,00 Euro ...

Wieder nass eingepackt ... Natur so weit das Auge reicht ...

Schauer, kräftige Windböen die ganze Nacht hindurch, das Tipi wird mal wieder nass eingepackt, alles ist klamm. Heute Abend werden wir mal richtig einheizen, aber das ist noch lange hin. Dennoch die Vorteile der Nachsaison: Durch den Regen hat der Netzowgraben genug Wasser, treideln ist nicht nötig, die Brückentrümmer liegen gut sichtbar, keine Kratzer im Canvas. Unser Zwischenziel, der Lindenhof, liegt ziemlich am Ende des Netzowsees. Der Netzowsee, Platkowsee und auch der Zenssee haben absolut klares Wasser, wir können die Muscheln detailliert auf 4 Meter Tiefe sehen.

Unsere Gelenke sind gerade so richtig geschmeidig, da sind wir auch schon an der Ausstiegsstelle zur Portage. Schwüle Gewitterluft umgibt uns. Der Kanuwagen wird ausgepackt, Atkinson drauf, Gepäck getrimmt und die steile Böschung hoch. Der einsame Arbeiter auf dem Lindenhof fällt beinahe vom Trecker, als er uns kommen sieht. "Wo wollt ihr denn hin?" - "Zum Platkowsee! Und dann nach Lychen" - "So? Ihr seid bekloppt ... der Chef ist unterwegs, wenn er wieder kommt, bringt er euch mit dem Trailer rüber!" (Die leben im Sommer davon, es  kostet 35,00 Euro ). "Nee lass mal, wir schieben da rüber". "Da rüber" sind rund 7,5 Kilometer, davon 2,5 Kilometer Landstraße, immer geradeaus.

Einige Autofahrer finden das Boot mit den Rädern auf der Landstraße wohl recht seltsam und verrenken ihre Hälse. Mitten im Wald erwischt uns ein tierischer Regen, binnen kurzer Zeit stehen 5-6 cm Wasser im Atkinson und uns läuft es durch den Kragen in die Schuhe. Ja, wenn schon nicht eine Handbreit Wasser unterm Kiel, dann wenigstens drei Fingerbreit Wasser im Schiff!

Seltsamer Anblick für Autofahrer ...  "Da rüber" sind rund 7,5 Kilometer ...

Mitten im Wald erwischt uns ein tierischer Regen ...

Trotz der Nässe nehmen wir uns die Zeit, die schöne Kirche von Alt Plasten anzusehen. Wir haben nur eine vage Beschreibung aus dem Internet über die Einstiegsstelle am Platkowsee, sehr vage. Also ist Suche angesagt: Zu unserem Glück ist der Hauptweg durch den Forst asphaltiert und nach der dritten Abteilung sehen wir den beschriebenen Hochsitz.

Der voll beladene Atkinson schiebt uns mehr die Böschung runter als wir ihn dirigieren. Erstmal Klamottenwechsel, Kaffee trinken und den letzten Aufgesetzten dazu, wohlverdient! Drei Stunden nach dem Ausstieg am Lindenhof setzen wir schließlich am Platkowsee ein ...

Es ist, als führen wir über eine Glasscheibe, so klar ist das Wasser. Für uns vollkommen ungewohnt, sind doch unsere Seen und Bäche in der Heide und im Moor meist durch die Feinteile vom Torf eingetrübt. Die Freude währt nicht lange, es fängt mal wieder an zu regnen, und zwar heftig.

Als führen wir über eine Glasscheibe, ...

Die Freude währt nicht lange ... Es fängt mal wieder an zu regnen ...
Die Mini Portage in Lychen ist schnell bewältigt ... Bald folgt der Paprikawurstauflauf ...

Die Mini Portage in Lychen ist schnell bewältigt, für die letzte Etappe werden noch Lebensmittel ergänzt, mit dem letzten Tageslicht schlagen wir das Tipi am städtischen Freibad von Lychen auf und bald zieht der leckere Geruch von Paprikawurstauflauf durchs Zelt.

Am nächsten Morgen ist die Zeltwiese durchweicht wie ein Reisfeld: Es hat die ganze Nacht geschüttet und gestürmt. Der Percolator blubbert auf dem Künzi, Kaffeeduft zieht durchs Zelt. Die städtische Putzkolonne macht die Freibadgebäude winterfest und öffnet für uns noch mal die Sanitäranlagen.

Auf der Woblitz finden wir frische Biberspuren, aber den Meister Bockert sehen wir nicht. Nach der SB Schleuse Himmelport gleich rechts an der Betonnung für die Wasserskifahrer entlang geht es über den Stolpsee: Heute mal ohne kräftigen Wind. In Fürstenberg legen wir noch mal eine Pause auf dem neuen Biwakplatz mitten in der Stadt ein und dann heißt es die Fischkanuborstentreppe hochtreideln unter Blitzlichtgewitter der staunenden Touristen.

Sehen wir auf dem Röblinsee wohl wieder den Fischotter? Kaum gedacht, schwimmt er keine zwanzig Meter rücklings quer vor uns her. Das soll natürlich aufs Bild, doch beim Öffnen der Tonne kracht der Deckel dröhnend ins Boot und weg ist der Fischotter ...

Der Schleusenwärter legt kurz vor Feierabend in der Schleuse Steinhavel eine "Expresschleusung" hin und nach einem Kilometer erreichen wir den Biwakplatz Steinförde. Mal kein Regen zum Abend und so trocknen wir die Ausrüstung so gut es geht. Enno zaubert den Klassiker Kassler - Brokkoliauflauf mit Röstis aus dem Dutch-Oven und wir gönnen uns den restlichen Weinbrand. Es ist unser letzter Abend auf dieser Tour.

Enno zaubert ... ... mit dem Hobo-Ofen im Tipi ... ...

See-Idyll ...

In der Durchfahrt vom Großen Priepertsee zum Wangnitzsee liegt ein Havarist mit Motorschaden, wir verbringen ihn mittels Tau ans andere Ufer, wo der herbeigerufene Monteur ihn erreichen kann. Für Enno, vertraut mit Motorbooten, eine leichte Übung und der Bootseigner staunt nicht schlecht. Die 10,00 Euro Bergungsprämie werden wir später dann bei Peggy in Kaffee und Kuchen investieren ...

Und zum Abschluss noch etwas Statistik: In 7 Tagen eine Gesamtstrecke von 120 Kilometern, dazu 7,5 Kilometer Portage in drei Stunden, 10 Schleusungen, 40,00 Euro pro Mann für Verpflegung und Getränke abzüglich einer Einnahme von 10,00 Euro Bergungsprämie - eine rundum gelungene Veranstaltung!


© 2010 Albert Dörp