Die Fähre will geplant sein ...

Kurz vor Kukës hat man auf Höhe des dortigen Problem-Flughafens zum ersten Mal überhaupt einen geraden Abschnitt von einigen hundert Metern und wir machen dort eine kleine Pause, legen die Karte auf den Boden und besprechen die Lage. Es ist jetzt halb zwei, die Straße SH5 nach Fierze ist eine Kategorie niedriger, 30 km länger und laut Karte erheblich kurviger als die Strecke hierher.

Wir werden heute kaum noch zum Fähranlieger kommen, müssen die Fähre morgen aber unbedingt nehmen, sonst verlieren wir einen ganzen Tag. Deshalb versuchen wir eine Platzreservierung mittels Smartphone. Ein Albaner sieht unsere Bemühungen, kommt vorbei und fragt in gutem Deutsch nach unserem Problem. Mit einem Anruf beim Fährhafen klärt er die Lage, Plätze seien frei, aber wir sollten doch online buchen und per PayPal bezahlen. Das machen wir und laut Buchungsbestätigung auf dem Smartphone geht die Fähre morgen um 13 Uhr. Das ist zu schaffen und kostet für ein Auto und 3 Personen etwa 94 Euro ...

Besprechung der Lage

Gut ausgebaute Höhenstraße ... Unten: Gestauter Drin, oben: Berge bis über die Schneegrenze ... Unten liegt der Hafen Fierze ...

Nachtplatz neben Straße, trotzdem ruhig ... Viel Platz brauchen wir ja nicht ...

Die Straße SH5 entpuppt sich als ein fahrerischer Genuss: Immer auf gleicher Höhe und enge Kehren vermeidend kommen wir auf dem guten Asphalt viel schneller voran als auf der vorigen "Schnellstraße" SH6. Zahlreiche Parkstreifen an exponierten Stellen bieten fantastische Ausblicke zum gestauten Drin nach unten und zu den Bergen im Hintergrund. An einigen Stellen kann man weit ins Albonatal blicken und die schneebedeckten Zweitausendfünfhunderter an der Grenze zu Montenegro erkennen. Erich am Steuer kommt fast ins Gleiten und will das Steuer nicht mehr abgeben. So kommen wir doch noch zeitig nach Fierze, finden in den steilen Hängen aber keinen Nachtplatz und müssen 10 km flussabwärts fahren und in ein Seitental abbiegen. Dort werden wir neben der kaum befahrenen Straße fündig und richten uns gemütlich ein. Der kleine Bach zehn Meter unter uns bietet sogar eine Badestelle ...

Die Fähre am nächsten Tag geht um 13:00 Uhr: So haben wir erst einmal etwas Zeit, fast schon ungewöhnlich auf unserer durchgetakteten Reise. Grazyna meint ja schon länger, wir würden das Land nicht bereisen, sondern nur befahren. Das trifft zwar nicht ganz zu, aber unter "Slow Travel" versteht man schon etwas anderes. Die Stunden bis zur Abfahrt gestalten wir doch einmal "slow" mit Frühstück und intensivem Nichtstun. Um 13:00 Uhr haben wir dann aber wieder einen Termin – so ein Stress!

Die Komanfähre hat eine interessante Geschichte: Noch vor etwa 10 Jahren fuhr eigentlich nur ein Boot, das größere Fahrzeuge mitnehmen konnte und irgendwann ist dieses Boot plötzlich gesunken. Dann kam eine Zeit ohne Fährbetrieb für Fahrzeuge. Aber der Bedarf dafür ist da und wird offensichtlich von Jahr zu Jahr größer. Derzeit sind mindestens zwei Fährlinien mit mehreren Schiffen unterwegs und konkurrieren um die Fahrgäste. So verstehe ich auch die Information, die wir tags zuvor am Telefon erhalten hatten: Wir sollten uns bitte online anmelden und per PayPal zahlen. Wer das wie wir auch macht, kann später nicht mehr zur Konkurrenz wechseln ...

Genug Platz auf der Fähre ... Die erste Engstelle naht ... Deutlich kleineres Schiff der Konkurrenz
Tunnelausgang unterhalb der Staumauer Gut und billig: Restaurants in Albanien

Die etwa 3-4-stündige Fahrt auf dem Stausee von Fierze bis Koman ist landschaftlich sehr beeindruckend und stellt den letzten Höhepunkt unserer Reise dar. Ganz dicht an hohen Felswänden entlang gleitet das Boot und die Reisenden genießen die Fahrt.

Berühmt ist die Anlegestelle in Koman, wo man direkt nach Verlassen der Fähre sofort in einen langen, einspurigen und sehr schwach beleuchteten Tunnel kommt, der uns unterhalb einer Staustufe wieder ans Tageslicht entlässt. Was wäre wohl, wenn uns hier ein Fahrzeug entgegenkäme? Ratlosigkeit und Chaos vermutlich. Die vorhandene Ampelschaltung ist jedenfalls nicht in Betrieb.

Im Anschluss daran kommt die 50 km lange Straße von Koman nach Shkodra, der Großstadt im Norden, und sie ist etwas mühsam und nur langsam zu fahren. Statt diesem Teer-Flickenteppich in schlechtestem Zustand hätten wir lieber einen "Naturbelag". Aber nach zwei Stunden sind wir auch da durch und gönnen uns am Stadtrand von Shkodra ein gemütliches Restaurant am Flussufer. Wie üblich leckeres Essen und Preise, die wir zu Hause auch gerne hätten!

Die Tage Anfang Juni sind lange hell: Das nutzen wir, um noch bei letztem Tageslicht zu unserem Nachtplatz zu fahren, einem Campingplatz in Montenegro, nahe dem Ort Ulcinj, wo das Wasser des Drin unter dem Namen Buna ins Meer fließt. Ein Besuch der Feuchtgebiete am Mündungsdelta wäre im Frühjahr oder Spätherbst sicher sehr lohnend, aber meine Erfahrungen in Butrint, wo fast keine Vögel anwesend waren, lässt uns andere Schwerpunkte setzen und wir legen wieder einen Badetag ein. Einen ganzen Tag! Wow!

Weltkulturerbe: Burg von Kotor Ein letzter Gruß der Reisenden ..!

Der Fjord von Kotor liegt auf dem Weg der Heimreise und wir machen den kleinen Umweg in diese interessante aber touristisch stark frequentierte Stadt. Als wir dann gegen 16:00 Uhr die Grenze zu Kroatien passieren, macht uns die Grenzerin noch einmal richtigen Stress: Ohne aktuellen Test sei nur ein Transit innerhalb 12 Stunden erlaubt aber keine Übernachtung. Dasselbe gilt auch für Bosnien, Slowenien und Österreich. Das würde bedeuten, dass wir nonstop heimfahren müssten. Da wir auf keinen Fall die Nacht über fahren wollen, suchen wir in den Orten, wo wir durchkommen, eine Testmöglichkeit. Leider ohne Erfolg und wir wagen es, neben der Uferpromenade in Trogir, etwa 20 km westlich von Split, zu übernachten.

Bei der Ausreise aus Kroatien am nächsten Tag fragt uns keiner der Grenzer nach Test oder Aufenthaltsdauer. Obwohl das vermutlich die Regel ist, haben wir doch auch Glück: Es gibt einige Berichte im Internet von Reisenden, die an dieser Grenze kontrolliert und zu hohen Geldstrafen von 500 Euro pro Person verdonnert wurden. Es wäre für uns eilige Heimreisende kein Trost, wenn ein folgendes Gerichtsverfahren vor Ort die Strafe von 500 auf 200 Euro reduzieren würde. Keine Zeit zu solchen Spielchen. Aber wir sind ja im Glück und fahren die 850 km von Split zu mir nach Hause in einem Stück durch ...

Was bleibt?

Für unsere Art zu reisen ist Albanien immer noch ein kleines Paradies, eines der letzten in Europa. Freilich entwickelt sich das Land weiter, ist schon längst nicht mehr so ursprünglich wie vor 10-20 Jahren und könnte an der Küste irgendwann eine Kommerzialisierung wie in Kroatien erleben. Diese Sorge ist berechtigt. Völlig unberechtigt sind jedoch die oft gehörten Ängste vor den gefährlichen Menschen dort unten. Die kriminellen Albaner sind doch längst alle in Deutschland ...

Ich werde jedenfalls im nächsten Jahr wieder versuchen, ein, zwei Bremach-Mobile für eine gemeinsame Albanientour zu gewinnen. Oder Rumänien, das steht auch im Raum ...


© 2021 Sepp Reithmeier, Fotos: Sonja Ertl, Erich Junker, Marie Schömer   


Anm. der Red.: Weitere Beiträge von Sepp finden sich in unserer Autorenübersicht!