Am Ziel: Die Geschenke kommen an ...
Dienstag, 29.11.11
Der Start ist für 9:00 Uhr geplant: Uli stellt beim ersten Rundgang fest: Vorne links ist der Reifen platt. No problemo, Reifen runter und zur Werkstatt. Kurze Zeit später ist er zurück und um 300 Lek leichter (2,10 EUR). Mit 10 Minuten Verspätung starten wir. Über den Pass bis Perrenjas, dort links ab. Wir passieren die Petrusbrücke aus dem 13. Jahrhundert, über die schon der Apostel Petrus geschritten sein soll. Dann über Proptishd am neuen Wasserkraftwerk vorbei auf ausgefahrenen Pfaden nach Bishnice. Bei einer Pause fragt Gustl mich, wie ich so fahren kann, bei mir stimmt etwas an der Vorderachse nicht, sie schlägt derart, dass er es schon beim Hinterherfahren sehen kann.
In Bishnice angekommen beziehen wir Quartier im Internat. Einen Kaffee getrunken, da ist Uli schon unter meiner Vorderachse: Halbschale vorne links ist im Eimer. Alle Briden sind locker und meine Spur muss eingestellt werden. Alles ist vorhanden, Werkzeug und Teile, und nach gut einer Stunde (oder waren es gut zwei Stunden ?) ist beim "Valp" alles wieder bestens. Da die Mutter des Achsschenkelbolzens kein Gewinde mehr hat, wird kurzerhand aus einem Robur eine passende Mutter demontiert. So kann ich ganz beruhigt in die nächsten Tage blicken. Entspannt klingt der Tag aus: Roter Wein und klarer Raki!
Mittwoch, 30.11.11
Wir werden unterschiedliche Orte in der Region Bishnice, Velcan und Proptishd anfahren und jeweils die Päckchen verteilen. Mein Volvo muss heute nach Senisht, Laktesh und schließlich Somotine. Hoch über Bishnice geht es ab nach Senisht. Unser Weg ist ein besserer Mulipfad: Über Magerwiesen, durch Struppelwälder, an schroffen Felsen vorbei führt uns der Weg. Letztes Jahr wagten wir es nicht, das letzte Gefälle ins Dorf zu fahren. Heuer ist alles trocken und wir rollen bis vor die Schule.
Die Kinder erwarten uns schon: Zwei Klassen über alle Jahrgangsstufen verteilt, die Kinder wie immer mit leuchtenden Augen. Die einen sind eher schüchtern, die anderen aufgeschlossen, aber alle freuen sich. Wir wenden, ein Manöver, bei dem es um Zentimeter geht. Wir zirkeln dann den Wagen durch die Gasse und machen eine kleine Pause hoch über dem Dorf, genießen Sonne und Aussicht. Zeit zum Fotografieren. Unten im Dorf stürmen die Kinder aus der Schule, anscheinend war der Besuch der Deutschen Grund für ein vorzeitiges Ende des Unterrichts. Sie öffnen die Päckchen, studieren den Inhalt und tauschen aus. Sie lachen. Wir können es bis zu uns herauf hören ...
Zufrieden machen wir uns auf den Weg zur nächsten Lokalität. Fünf Kilometer zurück, dann links ab Richtung Proptishd. Es erreicht uns ein Anruf von Nardi, der die ganze Aktion koordiniert: Wir werden nach Laktesh beordert. Unsere Reservepäckchen werden dort benötigt. Wie schon in den letzten Jahren stimmen die gemeldeten Schülerzahlen nicht mit den anwesenden überein. Aber bei uns geht kein Kind mit leeren Händen nach Hause.
In Laktesh steht schon der Landy von Gustl und Karl. Wir werden bereits erwartet und laden alles, was wir meinen entbehren zu können, bei der Schule ab. Jetzt aber rasch weiter - wir wollen noch die kleine Schule in Somotine erreichen. Von Laktesh bis kurz vor Somotine führt eine passable Teerstraße und wir kommen rasch voran. Beinahe verpassen wir die Zufahrt ins Dorf. Augusta muss erst jemand finden, der uns zur Schule weist. Die Folge: Innerhalb weniger Minuten ist alles versammelt, was das Dorf zu bieten hat ...
Durch einen großen Sandhaufen blockiert legen wir die letzten Meter zur Schule zu Fuß zurück: Wieder freundliche Lehrerinnen und strahlende Kinderaugen. Diesmal bekommen wir von den Kleinen ein Lied vorgesungen. Für mich klingt es nicht nach Weihnachten, aber Alberta versichert, bei ihnen in Albanien wäre das so. Dann noch die Päckchen für die heute verhinderten Kinder bei den Lehrerinnen lassen, doch oh Schreck: Eins zu wenig!
Diesmal kein großes Malheur, wir werden es in der nahen Schule von Proptishd hinterlegen. Noch einmal Glück gehabt. Dann weiter zum vereinbarten Treffpunkt in Proptishd. Noch ein kurzes Offroadstück und schon geht es auf Teer die letzten sechs Kilometer bis in den Ort. Es ist mittlerweile 15:00 Uhr, die Sonne scheint und das vorläufige Tagewerk ist beendet. Wir sitzen in einem kleinen Café, trinken "kafe turk" und gönnen uns einen Hamburger. Temperatur gefühlte 20°C: Was will der Mensch mehr ..?
Nach einer knappen Stunde kommen die anderen: Diverse offizielle Verpflichtungen haben sie aufgehalten. Auch in Proptishd empfängt uns noch der Kommunalchef (entspricht offensichtlich dem Landrat) dieser Region. Wie immer werden wir mit Kaffee und Raki bewirtet. Ein engagierter Mann mit klaren Vorstellungen für sein Gebiet. Allein vieles scheitert am Geld.
Es folgt der Aufbruch zurück nach Pogradec, inzwischen ist es wieder dunkel geworden, als wir vor das Tor von "Nehemia" gelangen. Ich will mich hier nicht wiederholen, aber nach einer Lagebesprechung, deren Ergebnis darin besteht, dass morgen schon Gramsh angefahren und am Freitag in den Dörfern Porocan und Holtas verteilt wird, geht es wieder zum gemütlichen Teil über - und man kann es sich fast denken: same procedere as ...
Donnerstag, 01.12.11
Wie war das? Was man nicht im Auto liegen hat, kann man auch nicht verteilen. Also vor jeder Tour ist Beladen notwendig. Danach macht sich ein großer Teil der Gruppe auf den Weg nach Gramsh. Die beiden Volvos und der Unimog sind mit von der Partie und bis Gramsh wird uns noch ein Passat begleiten.
Für die Tour nach Gramsh müssen wir zurück auf der SH3 bis Elbasan. Und dann links abbiegen, den Devol entlang. Das gefährlichste an dieser Strecke sind die Polizisten mit ihren Radarpistolen und die ab und zu fehlenden Kanaldeckel in Elbasan. Eisenschrott ist begehrt und so verdient sich der eine oder andere mit dem Sammeln von herrenlosen Kanaldeckeln ein Zubrot. Seit dem letztem Mal sind aber deutlich mehr Kanaldeckel am Ort ihrer Bestimmung zu finden. Elbasan war in kommunistischer Zeit das Stahlzentrum Albaniens. Davon ist nur wenig übrig geblieben. Die Stadt ist aber wieder groß und geschäftig und das Leben pulst ...
Gramsh dagegen ist eine beschauliche Ortschaft mit nettem Flair: Der Aufschwung rührt von den geplanten Stauseen im Devol und den damit projektierten Wasserkraftwerken. Wir beziehen in unserem Stammhotel die Zimmer und treffen uns dann zur obligatorischen Pizza: Sehr, sehr lecker! Danach? Na was wohl!? Der geneigte Leser soll nun nicht glauben, unsere Reise bestand nur aus Essen und Trinken ..!
Der Devol ist heuer fast zu einem Rinnsal ausgetrocknet. Dann kann uns der Holtas auch nicht schrecken: Kein Vergleich zum letzten Jahr ...
Freitag, 02.12.11
Start aus Gramsh pünktlich um 6:00 Uhr: Jetzt müssen wir etwas zusammenrücken. Päckchen und Mitfahrer werden gleichermaßen durchgerüttelt. Wir schlucken dieses Mal nicht Wasser im Holtastal, sondern Staub. Ein paar Pfützen zum Vergnügen und zur Unterbodenwäsche können wir trotzdem finden. Der Holtas ist uns auch diesmal Fahrweg. Es wird fleißig gebaut. Hochwasserverbauung und eine Hochstraße entstehen entlang des Flussbetts. Hier tut sich etwas: Schwere Maschinen vom Feinsten sind im Einsatz ...
Schließlich rein in die Berge: In unzähligen steilen Serpentinen klettert die Straße auf fast 1.100 m Höhe. Dann ein wenig runter, über die wieder hergestellte Furt nach Porocan. Die Volvos werden nicht benötigt, sie haben Ladung für Holtas. Die Päckchen aus dem Unimog werden verteilt, und wir werden wie so oft zum Kaffee eingeladen und genießen ihn auf der sonnigen Terrasse im Freien. Staunend betrachte ich den Fortschritt: Vor der Schule steht ein Campinganhänger. Er ist umfunktioniert zu einer Imbissbude. Hier können sich die Schüler verköstigen. Einziges Gericht: Hamburger. Wann taucht das große M in Albanien auf? Ich bin mir ziemlich sicher, Albanien ist noch MacD frei ...
Nachdem alle Kinder ihre Päckchen bekommen haben, brechen wir auf Richtung Holtas: Kurz in den Fluss, dann noch weiter hoch. Jetzt geht es zur Sache. Ausgewaschene Fahrspur, bearbeitet durch schwere Holztransporter und steil in den Kehren. Dann die enge Abzweigung ins Dorf. Der Unimog geht gerade so durch, aber es ist Millimeterarbeit. Dann der Pfad zur Schule: Uli als Vorausfahrender meint, jetzt ist Schluss. Erst als ich ihm erkläre, dass wir vor zwei Jahren mit dem Zollstock ausgemessen haben und dann durchgefahren sind, lässt er sich darauf ein.
So stehen wir kurz darauf auf dem Schulhof: Im Vertrauen und nicht weitersagen: Ich bin einfach zu faul, um die Päckchen rüber zur Schule zu tragen. Der Unimog hat hier keine Chance. Muss er auch nicht, die Päckchen sind in weiser Vorhersicht alle in den Volvos. Das übliche Ritual der Verteilung spielt sich ab: Päckchen ausladen und in den Klassenzimmern verteilen. Nach der Verteilung dürfen die Kinder wieder einmal vorzeitig aus der Schule. Der Schulleiter bittet zu einer kleinen Runde ins Direktorat. Aus einer Schublade zaubert er ein Fläschchen Raki; ein kleiner Umtrunk. Nur die Fahrer lehnen dankend ab. Die Rückfahrt setzt volle Konzentration voraus, die Beifahrer dürfen ruhig betüttelt sein, dann nehmen sie alles gelassener. Heiko, der Reporter von der Ostsee-Zeitung, wird noch ins Dorf gebeten. Als er wieder zu uns kommt, sieht man ihm die genossene Gastfreundschaft deutlich an: Rote Bäckchen und ein etwas unsicherer Gang ...
Aufgesessen und zurück Richtung Gramsh: Unterwegs im Flussbett des Holtas wird noch aufgekocht. Wie sagen wir in Bayern: "Ein leerer Sack steht nicht". In Gramsh angekommen planen wir den Samstag. Die Schulen sind samstags und sonntags geschlossen, also haben wir zwei Tage zur freien Verfügung. Heiko muss morgen zum Flieger gebracht werden: Axel übernimmt diese Aufgabe. Wir anderen werden das Devoltal nach Maliq aufwärts fahren und uns über die Hochebene von Korca zurück nach Pogradec durchschlagen. Ich erspare mir die Beschreibung des Abends ...
Samstag, 03.12.11
Nach dem Frühstück verabschieden wir Heiko und machen uns auf den Weg, Devol aufwärts. Gleich am Ortsende von Gramsh ein Verkehrschaos: Ein Viehmarkt belegt die Verkehrsfläche fast einen Kilometer lang. Alles was hüpft, Federn oder ein Fell hat, wird verhandelt. Schweine können wir aber nicht entdecken.
Weiter führt unsere Fahrt auf schlechter Straße. Dann wechselt der Straßenbelag: Nur noch Kiespiste. Immer höher geht es hinauf. Unter uns fließt der Devol in tiefer Schlucht. Wenn der auch noch so viel Wasser führen würde wie letztes Jahr - aber holla!
Uli zweigt ab: In einer sonnigen Kuhle wird wieder aufgekocht, Mittagspause ist angesagt. Nur wenig später durchfahren wir eine Geistersiedlung. Dort wurde Eisen abgebaut und verhüttet. Jetzt stehen hier nur noch Ruinen. In den schattigen Kurven liegt eine dicke Reifschicht: Uli stoppt und muss aufpassen, dass er nicht auf seinem Allerwertesten landet. An den schattigen Stellen ist die Straße zum Teil über mehrere hundert Meter spiegelglatt ...
Nach weiteren 15 km erreichen wir die Hochebene: Eine völlig andere Landschaft eröffnet sich uns. In Maliq treffen wir auf die E86 und komfortabel geht es zurück nach Pogradec. Dort erwartet uns die große Überraschung: Gustl und Karl im Defender und unsere albanischen Freunde im gelben Benz haben alle Päckchen um die Ortschaft Trebinje schon verteilt.
Es bleibt nur noch ein Kindergarten und dazu braucht es nicht mehr die ganze Helfertruppe. Die Volvos und der Defender können nach Hause. Nach einigem Hin und Her beschließen wir, morgen mit Gustl und Karl nach Tirana zu fahren und dort Alberta und Aurela zu treffen, dann ab nach Hause. Unser Bedarf an Offroad und schlechten Straßen ist gedeckt ...
Sonntag, 04.12.11
Der Unimog, inzwischen umgetauft auf Unimax, wird der albanischen Sektion vom CHW übergeben. Goni lässt sich in die Geheimnisse diese Gefährts einweisen. Dann noch die übliche Verabschiedung: Wir stellen fest, dass wir an einer wunderbaren Aktion teilnehmen durften. Dieses Jahr war es wieder wie immer die beste Gruppe, die man sich vorstellen kann. Dann heißt es ein letztes Mal aufsitzen: Wie geplant passieren wir das Tor von "Nehemia" pünktlich um 10:00 Uhr.
In zügigem Tempo streben wir Elbasan entgegen. Dahinter mit Speed über den Pass nach Tirana. Gegen 13:00 Uhr erreichen wir die Außenbezirke der Stadt. Wie überall auf der Welt präsentiert sich die Hauptstadt als Baustelle: Nach einer Stunde albanischem Verkehrschaos biegen wir in den Skanderbergplatz ein. Er stellt den Mittelpunkt Tiranas dar.
In einer Nebenstraße verbirgt sich in der ehemaligen vietnamesischen Botschaft das christliche Zentrum Albaniens. Dort werden Gustl und Karl eine Nacht verbringen und wir können unsere Volvos sicher parken. Kaum eine Viertelstunde später treffen wir Alberta und Aurela. Zusammen gehen wir essen. Um 16:00 Uhr pünktlich sitzen wir wieder hinter dem Steuer: Fast 1.500 km liegen jetzt vor uns - alles Asphalt. Die SH1 führt uns nach Muriqan, inzwischen ist es wieder mal dunkel geworden ...
Montag, 05.12.11
16:00 Uhr: Am Parkplatz Chiemsee trennen wir uns. Wir sind die ganze Nacht und den ganzen Tag durchgefahren. Uli fährt direkt weiter nach Reutlingen. Andi, Torsten und Max kommen mit zu mir nach Haag. Hier stehen ihre Autos. Das Wetter ist kalt und ekelig. Kurz nach 17:00 Uhr biegen wir in den Parkplatz ein, wir laden um, sind ganz schön geschafft und es ist mal wieder dunkel geworden.
3.700 km haben wir seit dem Start unter die Reifen genommen ...
© 2012 Karl Ziegler
Nachtrag, Februar ´14: Und noch einmal ...
Auch im Winter 2013 war die "Reisegruppe" des CHW wieder unterwegs und erneut hat Karl Ziegler Tagebuch geführt, dabei auch ein Vorwort zur Vorgeschichte der bisherigen Aktionen:
- Albanien, Winter 2013: Eine neue Weihnachtsaktion!